„Sind Sie … Amerikaner?“ fragte sie ihn unvermittelt, und wie sie das R rollte, das ließ auf eine südamerikanische Herkunft schließen.
„Nein“, sagte Ben. „Ich bin ... Ire.“
Für die meisten Südländer, so viel wußte Ben, war es nicht einfach, einen Iren von einem Engländer zu unterscheiden, sofern er nicht einen exorbitanten Dialekt an den Tag legte. Einen Schotten wohl, nicht aber einen Iren. Die meisten schafften es ohnehin nicht. Zudem bestand für Benjamin kein Grund, seine Identität zu offenbaren. Er war hier her nach Monaco gekommen, weil er ein Ziel verfolgte. Dieses Ziel galt es im Auge zu behalten und sich nicht durch einen Weiberrock ablenken zu lassen. Benjamin überlegte, ob er sich gleich verabschieden sollte, entschloß sich aber dann aus unerfindlichen Gründen, noch ein Weilchen sitzen zu bleiben und seinen Fruchtsaft zu genießen.
Die Konversation der Frau war keineswegs aufdringlich, und sie stellten sich einander vor. Ihr Name war Ines Fuentes, sie kam aus La Paz, Bolivien, besuchte hier in Monte Carlo einen Paläoanthropologenkongreß, sprach ein sehr gepflegtes Englisch und war zudem eine angenehme Erscheinung.
„Sie beschäftigen sich also in der Hauptsache mit Toten“, sagte Ben, der sich darüber amüsierte, daß eine so adrette Frau im Erdreich nach alten Knochen wühlte.
„In der Hauptsache haben Sie recht, Mr. Sinclair“, antwortete sie flink. „Mit Toten, mit Knochen, mit Schädelkapazitäten und dergleichen. Aber mitunter zeige ich auch Interesse an den Lebenden!“
Damit warf sie ihm ein entwaffnendes Lächeln zu, ihr Blick schweifte jedoch umher, als suchte sie jemanden.
„Ich bin bei einer … Bank beschäftigt“, erwiderte Ben.
Das war nicht ganz richtig, führte aber auf eine völlig falsche Fährte. Ines nahm es zur Kenntnis, es schien ihr nicht wichtig.
„Wenn Sie mir den Platz freihalten, dann verspreche ich Ihnen, in wenigen Minuten wieder zurück zu sein.“
Mit diesen Worten stand Ben auf, die Frau nickte zustimmend, und er machte sich auf den Weg zu Tisch 8. Wenigstens einen Versuch wollte er am Tisch mit dem höchsten Limit unternehmen. Dort aber war die Zahl der Schaulustigen besonders hoch, Ben überlegte. Der Croupier war ausgewechselt worden, und der neue Mann warf tadellos. …
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