… Wegen seines geringen Alters zeigte er auf das Gift der Schlange jedoch heftigste Reaktionen, die zunächst vermuten ließen, er würde die nächsten Stunden nicht überleben. Ich blieb seinerzeit in der Nähe und wurde erstaunlicherweise von der Mutter und deren Schwestern geduldet. Als am nächsten Tag noch keine entscheidende Besserung eingetreten war, gab ich ihm erneut eine Spritze mit dem Serum. Am Abend des übernächsten Tages war er zwar über dem Berg, wollte aber einige Zeitlang nicht bei seiner Mutter trinken. Seither ist er im Wachstum etwas zurück und wiegt auch weniger als seine Geschwister.
Als er mich erkennt, steht er auf und trabt auf mich zu. Ganz weit hat er sein Kinn vorgestreckt, läßt mich auf seine Kehle blicken, wilde Tänze vollführt sein Schwanz, er ist hocherfreut mich zu sehen. Ähnliches Gebaren zeigt er sonst nur, wenn sich ihm nach einer gewissen Zeit der Abwesenheit ein Familienmitglied nähert. Schon ist er an meiner Seite, reibt seine dürftige Mähne an meinem Bein, und ich kraule ihn hinter den Ohren. Er knurrt behaglich. Noch immer steht die mächtige Löwin so schief dort drüben. Bei meinem Herannahen sehe ich ihren blutverkrusteten Bauch. Ich beuge meinen Oberkörper und laufe auf allen Vieren auf sie zu, sie schnuppert interessiert. Erst jetzt beginnt ihre Schwanzquaste ein zaghaftes Begrüßungstänzchen. Die Löwendame reibt ihren imposanten Kopf an meinem eher bescheidenen, legt sich ins Gras auf die Seite und zeigt mir die Bescherung.
Ihre Bauchdecke ist aufgerissen, regelrecht aufgeschlitzt, eine fünfzehn Zentimeter lange Öffnung präsentiert sie mir. Die Wunde ist noch frisch, keinen Tag alt. Offensichtlich hat sie in der vergangenen Nacht Bekanntschaft mit den Hörnern eines Büffels gemacht, der sich partout nicht damit abfinden wollte, in den Mägen des Rudels zu landen und dies noch durch heftiges Kopfschütteln unterstrichen hat. Das Rudel ist gut genährt, das heißt, die Löwinnen sind erfolgreiche Jäger; selbst diese Verletzung muß nicht zwangsläufig bedeuten, daß das Opfer entkommen konnte.
Ich knie neben dem eindrucksvollen Tier, streichle ihm den Hals und stelle zum wiederholten Male fest, wie geduldig selbst schwerverletzte Kreaturen sind, verglichen mit den Menschen, die manchmal schon wegen einer bloßen Schürfwunde auf die Barrikaden gehen und ein Geschrei ohnegleichen veranstalten. Die Wundränder sind glatt, ich versuche, einen Blick ins Bauchinnere zu werfen, das kann ich nicht ohne meine Taschenlampe, ich muß sie vom Wagen holen. …
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