„Machen Sie doch bitte meine Hände los, Schwester ... “, klagte Ben hilflos.
„Schwester Margret. Und die Binden darf nur der Arzt lösen.“
Ben drehte den Kopf zum Fenster und versuchte, die Uhrzeit zu schätzen. Wie lange lag er wohl schon hier? Seine Gedanken kehrten zurück zur Themse, zu der äußerst gewagten Rettungsaktion in luftiger Höhe, zu seinen Gefühlen, seiner Scham, seiner absoluten Hilflosigkeit. Niemals im Leben war Ben derart wehrlos gewesen, abhängig von anderen Menschen. Aber im Moment fühlte er sich wie in einer Zwangsjacke, und je mehr er sich erholte, desto deutlicher wurde sein Drängen nach Bewegung, unwillkürlich begannen seine Hände ihre Tätigkeiten wieder aufzunehmen, versuchten sich zu befreien von der unerträglichen Qual des Gefesseltseins.
Da wurde die Tür geöffnet, herein trat ein Mann in einem grünen Kittel, an welchem leichte Blutspuren zu sehen waren. Zielstrebig trat er neben Bens Bett, griff nach dessen Hand und fühlte den Puls, ein zufriedenes Kopfnicken folgte.
„Mein Name ist Dr. Norman, ich habe Sie operiert. Sie haben Glück gehabt, unglaubliches Glück, Mr. Sinclair. Nur wenige Millimeter tiefer, und die Eisenstange hätte ihre linke Armarterie zerfetzt. Sie hatten einen wachsamen Schutzengel. Wie fühlen Sie sich?“
Ben fühlte sich nicht schlecht, der pochende Schmerz in der Wunde hatte jetzt nachgelassen, und das sagte er dem Mediziner.
„Das ist gut, sehr gut“, bemerkte der Chirurg, und auf Bens Frage, warum seine Hände festgemacht seien, fügte er beruhigend hinzu:
„Darum wird sich nachher ein Kollege kümmern, haben Sie noch etwas Geduld!“
Bald war Ben wieder alleine mit seinen Gedanken, auch die Schwester war verschwunden, er lag in einem Einzelzimmer.
Es ist wegen des Selbstmordversuches, deshalb haben sie meine Hände gefesselt, war seine logische Schlußfolgerung, und als wenig später ein weißgekleideter Arzt den Raum betrat und sich zu ihm ans Bett setzte, bat Ben ihn als erstes, ihm doch diese entwürdigenden Fesseln zu lösen. Der Mann stellte sich als Dr. Gates vor, war Neurologe und spezialisiert auf Suizidpatienten. Ben mußte ihm seine Geschichte erzählen und tat es mit viel Konzentration, Einsicht und - Reue. Zwischendurch fiel sein Blick immer wieder auf das Kruzifix an der weißen Wand. Als er schließlich auf seine Kurzschlußhandlung zu …
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