„So!“ sagte Ben schließlich laut, „nun wollen wir Spaß haben. Alle … drei!“
Verzweifelt suchten Raouls aufgerissene Augen den Dritten im Bunde, suchten das ganze Zimmer ab, konnten ihn aber nirgends entdecken.
Unverzüglich schritt Ben zur Tat, griff den Sack, ertastete die Konturen der Echse, packte sie behutsam hinter dem Kopf. Langsam, unendlich langsam schnürte er den Sack auf, ließ die Öffnung herunterrutschen, bis das schwarze Maul der Gila sichtbar wurde. Schwarze Augen glitzerten im Licht der Deckenlampe, teuflische Augen. Sie erweckten den Eindruck, das Reptil beobachte jeden Gegenstand im Raum. Eine dicke feuchte Zunge zeigte sich, und man konnte meinen, es seien die Überreste ihres letzten Opfers. Glasiger Schleim tropfte vom Unterkiefer herab.
„Wenn ich mich recht erinnere“, begann Benjamin langsam, indem er näher trat, und es klang, als spräche er zu einem Kind, „war es ein junger Leutnant der US-Kavallerie, der einen Biß dieser Echse überlebt hat. Irgendwo in West-Texas. Vor vielen Jahren. Allerdings büßte er seinen Finger ein. Es war … der rechte Zeigefinger.“
Raoul war nicht der Gescheiteste. Aber was dieser Monolog zu bedeuten hatte, verstand selbst er. Natürlich wußte er um die Gefährlichkeit einer Krustenechse.
„Der Soldat hatte wohl etwas zu viel Whiskey getrunken. Denn als ein indianischer Fährtenleser die Echse herbei schleppte, sie auf den Tisch setzte und sie ihr Maul öffnete, steckte er im alkoholbedingten Übermut seinen Finger hinein. Sobald sie zuschnappte, zog er den Finger wieder zurück. Es ist ihm exakt einmal gelungen.“
Raoul lauschte, als erzählte der Fremde ein ihm bestens bekanntes Märchen.
„Beim zweitenmal jedoch“, fuhr Ben fort, „war der Leutnant nicht schnell genug, und die Gila packte seinen Finger mit ihren Kiefern. Ja, Raoul, Sie wollen Spaß? Diese Tiere verstehen aber keinen Spaß. Der junge Mann überlebte. Aber nur, weil ihm ein anwesender Arzt kurzerhand den Finger abgeschnitten hat. Das sollten Sie sich merken. Unbedingt!“
Raoul drohte zu explodieren wie eine Comicfigur. Es war schwer zu sagen, wer sich stärker wehrte, Raoul oder die Echse in Bens Händen.
In diesem Augenblick stellte Benjamin bei sich eine Veränderung fest: Zuvor, als Raoul das dunkle Zimmer betrat, hatte sich sein Puls nur geringfügig erhöht, Ben war emotional ziemlich unbeteiligt gewesen. Jetzt aber, jetzt …
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