… Es gab wirklich nur eine einzige Chance: in die Höhle einzudringen, wenn das Fest auf seinem Höhepunkt war, wenn die Priester und die Zuschauer zur Arena und in die Orte zurückgekehrt waren, wo festlich getafelt und getrunken wurde und nur die Wachen und vereinzelte Betrunkene noch vor Ort waren. Die Wächter, die vor dem Eingang der Höhle postiert waren, mussten außer Gefecht gesetzt werden. Angelo mußte noch einmal den alten Perikles aufsuchen, ihn bitten sein Versprechen einzulösen und ihm einen Betäubungstrank zu mischen. Er mußte ihm einfach helfen, sonst war alles verloren. Die Mädchen hatten ihren Tanz nun beendet und Angelo und die anderen jungen Männer kamen mit ihrem Stiertanz an die Reihe. Er sah mit brennendem Blick der schmalen Gestalt seiner Geliebten nach, als sie mit gesenktem Kopf hinter den anderen Mädchen aus der Arena schritt. Kurz bevor sie das Tor passierte, hob sie den Blick und sah ihn direkt an. Die verzweifelte Sehnsucht und die tiefe Resignation, die aus ihren Augen sprachen, schnitten Angelo tief ins Herz. „Ich werde dich retten, koste es was es wolle.“ Er sprach diesen Gedanken nicht laut aus, aber er konzentrierte sich mit aller Macht seines Herzens und seiner Sinne darauf und hoffte, daß seine seelische Botschaft zu Elena durchdringen würde. Beinahe schien es ihm, als ob in ihrem Blick ein Hoffnungsschimmer aufglimmen würde, aber in diesem Moment durchschritten die Mädchen, mit ihnen Elena, das Tor und er war sich nicht mehr sicher, ob nicht sein hoffendes Herz ihm dies nur vorgegaukelt hatte. Die jungen Männer erhoben sich der Reihe nach, um ihre lebensgefährlichen Kunststücke zu absolvieren. Als Angelo mit seinem Stiertanz an der Reihe war, war er so nervös und abgelenkt, daß er beim Absprung von dem Tier zu dicht neben dessen Hörnern landete und beinahe verletzt worden wäre. Im letzten Augenblick konnte er sich zur Seite abrollen und unter dem Applaus der aufgesprungenen Menge die Arena verlassen.
*
Elena stand in Gedanken versunken vor einem polierten kupfernen Schild, in dem sie ihr Spiegelbild betrachten konnte, während sie für die Zeremonie geschmückt wurde. Sie nahm kaum wahr, wie entzückend sie aussah.Die Mädchen waren für diese einmalige Gelegenheit in lange weiße Gewänder aus weichfließenden Stoffen gekleidet und ihr Haar war mit bunten Blumen geschmückt worden. Elena fuhr nur immer wieder zärtlich mit dem Finger über das blauschimmernde Perlenband an ihrem Handgelenk. …

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