… Dochsobald sie auf die reitende Gestalt neben sich blickte, wußte sie wieder, daß alles nur allzu wahr war. Bald hatten sie die gepflasterten Straßen des Ortes erreicht und hielten kurz darauf vor der Türe des Hauses der Familie Simeriotakis. Überrascht und erfreut wurde sie von ihrer Mutter begrüßt. Ihr Vater gab sich zurückhaltend, aber ein stolzes Leuchten verriet, daß auch er seine Tochter mit Wohlwollen betrachtete. Elena`s Schwestern und ihr jüngerer Bruder waren nicht anwesend. Die Priesterin zog sich mit Elena`s Vater bald darauf in dessen Geschäftsgemach zurück und Elena wurde wieder von Furcht befallen. Die Mutter schien das zu bemerken und fragte sie, um sie von ihren Gedanken abzulenken, gekünstelt fröhlich über ihr Leben im Tempel aus, während sie ihr Speise und Trank reichte. Automatisch gab Elena die richtigen Antworten, während ihr Blick wie festgenagelt an der geschlossenen Türe zum Arbeitszimmer ihres Vaters hing. Nach einer ihr endlos scheinenden Zeit, öffnete sich die Tür und während die Priesterin sich nun zu ihrer Mutter setzte, winkte der Vater Elena zu sich. Er führte sie durch den Raum, von dem eine Tür ins Atrium führte. Wie schon einmal saß sie ihm nun gegenüber. Diesmal aber war Elena nicht unbefangen, sondern die Angst schnürte ihr beinahe die Kehle zu. Ihr Vater trug auch eine sehr ernste Miene zur Schau, aber als er zu sprechen begann, merkte Elena, daß die Priesterin das von ihr gefürchtete Thema nicht zur Sprache gebracht haben konnte. Ihr Vater nahm nämlich ihre Hand in die seine und sprach wohlwollend, wenn auch traurig zu ihr: „Tochter! Die Zeit des Abschieds ist nun gekommen. Die Hohe-Priesterin hat mir mitgeteilt, daß schon in fünf Tagen beim großen Vollmondfest zu Ehren des Stiergottes, deine Zeit gekommen sein wird. Du wirst mit sechs der anderen Mädchen die Ehre haben, dem Zeremonienmeister in das Labyrinth zu folgen und eine Braut des Stiergottes zu werden. Die hohe Frau hat dich heute zu deiner Familie gebracht, damit wir uns ein letztes Mal allein sehen können. Solange ich jetzt mit dir rede, spricht sie mit deiner Mutter, um sie auf die Trennung vorzubereiten.“ Elena war aufgesprungen und sah entsetzt ihren Vater an. Dieser betrachtete stirnrunzelnd seine Tochter, die sich nicht wie erwartet benahm und anstatt Freude Angst zu zeigen schien. „So bald schon!“ der Gedanke hämmerte in Elena`s Kopf und für eine Sekunde blitzte die Idee in ihr auf, sich dem Vater zu Füßen zu werfenund ihn um Hilfe anzuflehen. …

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