… Unbewußt hatte ich doch immer wieder nach hinten gelauscht und jetzt war ich mir sicher, daß ich die Schritte wieder vernahm, die stehengeblieben waren, als auch ich vorhin stehengeblieben war. Ich versuchte ruhig weiterzulaufen aber der Nebel, der sich zwischen die Häuser senkte und dort wieein grauer Vorhang hing und die sich langsam herabsenkende Dunkelheit, trugen nicht unbedingt zu meiner Beruhigung bei. Ich ging schneller und schneller, bis ich beinahe rannte. Als ich eine dunkle Einbuchtung zwischen zwei Häusern sah, bog ich schnell ab und hoffte, mich darin verbergen zu können. Zu meinem Pech, hörte der schmale Fußweg bereits nach wenigen Metern auf und ein hohes hölzernes Tor zu einem Hinterhof versperrte mir den Weg. Ich drehte mich hastig um, lehnte mit dem Rücken gegen das Tor und starrte in die wabernde Gräue. Jetzt saß ich in der Falle. Tatsächlich tauchte nur Sekundenbruchteile später eine undeutliche dunkle Gestalt am Eingang meiner Sackgasse auf. Ängstlich preßte ich mich an die Bretter hinter mir, aber es gab keinen Fluchtweg für mich. Da hörte ich eine bekannte Stimme mit verhaltenem Lachen sagen: „Rennst du mir schon wieder davon?“ Vor lauter Erleichterung warf ich mich in Andi`s Arme und brach in hysterisches Schluchzen aus, was normalerweise überhaupt nicht meine Art ist. Erschrocken und besorgt schloß Andi seine Arme zögernd um mich, doch plötzlich, als ob eine Barriere eingestürzt wäre, riß er mich an sich und überschüttete mein Haar und mein Gesicht mit Küssen. Ein undefinierbares Gefühl von Sehnsucht, Trauer und „Je ne sais quoi“ überkam mich und ich presste mich an ihn, als ob die Welt um uns versinken würde. Eine Weile standen wir so zwischen Raum und Zeit, dann schüttelte ich wie erwachend den Kopf und schob ihn von mir. Ich hatte mich jetzt wieder unter Kontrolle und hatte das eigentümliche Gefühl, als ob mich ein längst vergangener Traum geküßt hätte. Andi sah mich immer noch besorgt an und fragte mich jetzt ob alles in Ordnung wäre. Fast hätte ich gejubelt, denn in dem Moment, als er mich im Arm gehalten hatte, hatten sich meine ganzen verworrenen Gefühle geklärt: die Liebe, die ich für Andi empfand, entsprang aus einer längst vergangenen Zeit. Die Person, die ich heute war, empfand sie zwar immer noch, aber ich lebte ein ganz anderes Leben und in diesem Leben hatte Andi keinen Platz. Ich wollte eben versuchen, Andi alles zu erklären, als hinter mir ein Hund bellend von der anderen Seite gegen die Brettertür sprang. …

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