Im Tempel des Gottes
Vor einer von blühendem Efeu umrankten Säule saß Elena im Schatten des Tempels. Schon vor zehn Tagen hatten die Mutter und die Schwestern sie in die riesigen Tempelanlagen des Minotaurus begleitet und sie der Obhut der Priesterinnen übergeben. Es hatte einen tränenreichen Abschied von der Mutter gegeben und die Schwestern hatten sie zum Abschied umarmt und mit zum Teil neidischen zum Teil mitleidigen Blicken bedacht. Die beiden jungen Frauen mussten die Mutter fast gewaltsam aus dem Tempel drängen. Immer wieder stockte ihr Fuß und sie wandte sich mit brennendem Blick wieder zu ihrem zurückgelassenen Kind um. Elena war bei den Priesterinnen geblieben und hatte nichts in sich gefühlt als eine große Leere und eine unbestimmte Angst, die ihr Herz umfing. Doch die Tage vergingen und bald hatte die Routine des Tempelalltags sie vereinnahmt und mit ihrer beruhigenden Regelmäßigkeit von ihrem Kummer abgelenkt. Gerade hatte sie eine der wenigen Stunden, in der sie etwas Zeit für sich hatte. Sie hatte kaum mehr Muse zum Nachdenken gefunden, denn meistens stand sie ja unter der strengen Aufsicht der Priesterinnen und wurde mit Aufgaben regelrecht überhäuft. Wie die anderen Mädchen, die dem Minotaurus geweiht waren, mußte auch sie den Hauptteil des Tages mit Tempeldiensten und Beten verbringen. Demütig mußte sie allen Befehlen der Priesterinnen gehorchen. In den ersten Tagen hatte sie noch ihrem neugierigen Naturell nachgegeben und den Frauen verschiedene Fragen gestellt, doch meistens hatte sie nur ausweichende …
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