Verbotene Pfade
Es war sehr dunkel, als Angelo heute das Gelände des Tempels heimlich verließ. Der Mond hatte sich hinter einer Wolkenbank versteckt und nur vereinzelt blinkte ein Stern. Niemand durfte seine Abwesenheit bemerken, er würde sonst hart bestraft werden. Es war nicht so, daß sich die Gottgeweihten niemals vom Tempel entfernen durften. Nein, sie durften ihre Freunde und Angehörigen schon besuchen, aber nur mit Genehmigung der Priester und während des Tages. Derjenige aber, den Angelo besuchen wollte, war weder das eine noch das andere. Auch würden die Priester es strikt verboten haben, daß er überhaupt mit diesem Mann sprach. Angelo hatte als Kind durch seinen Großvater von Perikles gehört und musste ihn unbedingt sehen. Er schien ihm die einzige Rettung vor dem Abgrund zu sein.
*
Angelo hatte als kleiner Bub von fünf Jahren die Schafe seiner Eltern gehütet, als er bemerkte, daß eines der Lämmchen fehlte. Er machte sich sofort mit seinem Hirtenhund auf die Suche und hatte es auch bald auf halber Höhe eines Berges zwischen Felsen und Gestrüpp gefunden. Erleichtert kletterte er hinauf und hob das Lämmchen auf seine Arme. Völlig unerwartet tauchte da ein großer hagerer Mann hinter den Büschen auf. Erst jetzt bemerkte Angelo, daß dort eine verwahrloste, fast völlig von Gestrüpp und wildem Wein überwucherte Hütte stand. Der Mann jagte ihm Angst ein, obwohl er keinen Ton von sich gab, oder gerade deswegen. Der große schwarze ansonsten immer furchtlose Hütehund, der zuerst wie verrückt gebellt hatte, hatte sich auf eine herrische Geste des Mannes winselnd auf den Boden gelegt und verhielt sich nun mucksmäuschenstill. Der Mann trug eine weiße lange Kutte und unter der Kapuze hing langes graues Haar hervor. Die tiefliegenden Augen blitzten unheimlich und der lange Bart, …
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