Der Tempel bei Nacht
Der nächste Morgen ging ereignislos vorüber, aber mittags stürmte plötzlich Merit ins Zimmer, schnappte sich Lena und zog sie ungeduldig zu der Kleidertruhe. „Du mußt dich ganz schnell schön machen! Er lädt dich zu einem Ausflug ein!“ Lena blieb stehen, störrisch wie ein Esel und fragte verwirrt: „Wer lädt mich wohin ein? Was ist denn überhaupt los?“ Begütigend wie bei einem begriffsstutzigen Kind sprach Merit auf sie ein: „Retenu, er lädt dich ein! Und zwar zu einem Ausflug nach Luxor. Näheres hat man mir nicht mitgeteilt, nur das es gleich losgeht. Also beeile dich!“ Jetzt hatte Merits Aufregung auch Lena ergriffen. Sie sagte kein Wort, aber das Leuchten ihrer Augen genügte um Merit ein vielsagendes Lächeln zu entlocken. Sie begann Kleider aus der Truhe zu kramen, während sich Lenas Gedanken überschlugen. Nach Luxor war man über 6 Stunden unterwegs. Sie konnten unmöglich heute noch nach Assuan zurückkehren. Wahrscheinlich würden sie dort übernachten müssen, so blieb ihr viel Zeit um sich womöglich doch noch mit Retenu zu verständigen – auch wenn sie noch nicht genau wußte, wie eine Einigung zwischen ihnen wohl aussehen könnte. Luxor! Das Tal der Könige. der Tempel der Hatschepsut. Wie lange hatte sie davon schon geträumt? Vor lauter Begeisterung fiel Lena gar nicht auf, dass sie keinen Gedanken an die Möglichkeiten zur Flucht verschwendete, die ihr ja dieser lange Ausflug bieten musste. Merit riß sie rücksichtslos aus ihren Träumereien: „Beeile dich, Kind, der Herr wartet schon auf dich!“. Merit wählte für diesen Ausflug ein schlichtes, langes schwarzes Kleid aus, welches keinen Anlaß zum Anstoß bieten würde. In Ägypten waren die Ansichten über knappe Frauenbekleidung noch immer überaus konservativ. Merit scheuchte das Mädchen vor sich her durchs Haus und auf die gekieste Auffahrt. Der Wagen war inzwischen vorgefahren. Es war dieselbe Limousine, mit der sie auch von der Sklavenauktion weggebracht worden war, nur diesmal öffnete ihr der Chauffeur höflich die hintere Tür und mit einem zurückhaltenden Lächeln nahm Retenu sie in Empfang. Merit drückte ihr noch schnell eine kleine Reisetasche in die Hand und, mit einem verschwörerischem Zwinkern, winkte sie Lena zu als der Wagen abfuhr. Eine lange Weile wagte Lena nicht, in Retenus Richtung zu schauen. Seitdem ihr klargeworden war, wie unfair sie sich dem Schaichsohn gegenüber verhalten hatte, hatte sie sich auch zögernd eingestanden, daß ihre Gefühle für ihn sich in gefährlichen Regionen bewegten, was sie ihm gegenüber noch unsicherer machte. …
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