… Hier blinkten nur noch vereinzelte Lichter von kleineren Behausungen in der Nacht. Die Limousine stoppte und Retenu führte Lena über mehrere breite Stufen zum silberglänzenden Nil hinab. Dort wartete schon eine Feluke und Retenu half ihr das auf den Wellen schwankende Boot zu betreten. Lena hatte noch kein Wort herausgebracht, so hingerissen war sie von der ganzen Szenerie. Der Bootsführer segelte sie schweigend durch das von Silber durchsetzte Dunkel. Auf der anderen Seite des Flusses glitt die Totenstadt vorüber. Lena schwieg weiterhin, es wäre ihr wie eine Entweihung dieser wunderbaren Nacht erschienen, hätte sie in diesem Moment auch nur ein Wort gesagt. Es war alles, wie ein schöner Traum. Als sie das Ufer erreichten, wurden sie von einem Mann erwartet, der drei Pferde am Zügel führte. Lena konnte nicht viel von ihm erkennen, wozu nicht nur die Dunkelheit beitrug, sondern auch seine orientalische Gewandung. Retenu half ihr in den Sattel und kurz sah sie in der Nacht amüsiert seine weißen Zähne aufblitzen, denn es war gar nicht so einfach für sie, das lange Kleid so zurechtzurücken, daß sie – ohne schamlos ihre Beine zu enthüllen – im Sattel Platz nehmen konnte. Willenlos und immer noch wie in einem Traum befangen, ließ Lena ihr Pferd den beiden anderen folgen. Die Sanddünen und Felswände waren vom bleichen Licht des Mondes übergossen und nur selten sah man einige flache, eckige Gebäude, die sich an größere Felsen duckten. Ohne Vorwarnung zügelten die Männer vor ihr ihre Tiere und Lena hatte Mühe, ihr Pferd rechtzeitig anzuhalten. Als sie neben Retenu zum Stehen kam und ihre Begleiter ihr nicht länger die Sicht behinderten atmete sie tief ein und nahm das märchenhafte Bild in sich auf, daß sich ihr bot. Niemals hätte sie gedacht, daß etwas so wunderschön sein könnte.... Obwohl sie schon zig Bilder von diesem Tempel gesehen hatte, wurde doch keines von ihnen dieser Schönheit und Grazie gerecht, die Lena nun vor sich sah: vor ihr, inmitten des silbern glänzenden Wüstensandes, lag der Tempel der Hatschepsut. Von unzähligen Säulen getragen erhob er sich, nur vom blassen Licht de Mondes beleuchtet, terrassenförmig vor der Kulisse der schroffen Steilwände hinter ihm. Einst von einer ägyptischen Prinzessin erbaut, die sich selbst zum Pharao krönte, gemahnte er tausende von Jahren nach ihrem Tod noch immer an ihre einstige Macht. Eine lange, mächtige steinerne Rampe führte bis zur obersten Stufe des Terrassentempels empor. …
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