… Wenig später betrat Lena, von Merit begleitet, den großen gewölbten Saal, in dem die Gäste sie schon erwarteten. Es hatte sich in Assuan herumgesprochen, daß Schaich Assiz eine ganz besondere Tänzerin besaß und der Schaich betrachtete Lena nicht ohne Stolz, als sie in den Raum trat. Die Gebote, die er für sie bekommen hatte, überstiegen weit den üblichen Preis für Tänzerinnen; doch im Hinblick auf seinen Sohn hatte er alle Angebote vehement ausgeschlagen. Der Schaich besaß außer Lena keine Sklaven mehr. Als Kopte (ägypt. Christ) hatte er schon lange den Sklaven aus seinem Haushalt die Freiheit geschenkt, wobei die meisten davon dann als Diener in seinem Hause geblieben waren. Die Trommel begann ihren Rhythmus und Lena hatte noch kurz Zeit sich umzublicken. Enttäuscht stellte sie fest, daß Retenu nicht anwesend war. Doch mit Entsetzen erkannte sie Schaich Abdul, ziemlich in ihrer Nähe auf einem bequemen Sitzkissen thronend und neben ihm mit finsterem Gesicht seinen unheimlichen Diener. Sein Name war Rasul, das hatte Lena von Merit inzwischen erfahren. Lena hatte sich gefragt, warum nach ihrer Entführung Rasul nicht festgenommen worden war. Aber vermutlich konnte man ihn gar nicht in Verbindung mit dieser Tat bringen, da er bei Retenus Befreiungsakt ja nicht anwesend gewesen war. Lenas Aussage allein, die Aussage einer Frau, noch dazu einer ausländischen Sklavin, würde wohl nicht genügen um irgendwelche rechtlichen Schritte gegen den Diener eines so einflussreichen Mannes wie Schaich Abdul zu rechtfertigen. Die Musik setzte ein, und es blieb Lena nichts anderes übrig, als ihren Tanz zu beginnen. Die ganze Zeit über spürte sie den durchdringenden Blick Rasuls und den begehrlichen des Schaichs Abdul auf sich ruhen und war erleichtert, als sie ohne Zwischenfälle den Tanz beendet hatte und den Saal verlassen durfte. So schnell sie konnte, eilte Lena zurück in ihre Räume, wo sie Merit schon erwartete. „Hast du gewußt, daß sie da sind?“ Merit wußte sofort, wen Lena meinte und antwortete: „Ja, ich hab sie schon vorher gesehen.“ „Warum hast du mir nichts gesagt?“ fragte Lena vorwurfsvoll. „Mein Kind, was hätte dir das genutzt? Du hättest dich nur vorher schon verrückt gemacht und womöglich beim Tanz die Nerven verloren. Lena, denk doch daran, sie dürfen dir nichts tun. Nicht solange du im Hause Assiz weilst. Du stehst unter dem Schutz des Schaichs und Retenus.“ Lena senkte den Kopf und bemerkte leise: „Des letzteren bin ich mir nicht mehr so sicher. …
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