… Neben sich führte er am Zügel die schöne dunkelbraune Stute. Ein Lächeln erhellte seine oft so ernsten Züge, als er Lena, vom Rücken seines Pferdes aus, die Zügel in die Hand drückte. Noch ehe er Anstalten machen konnte, abzusteigen und Lena in den Sattel zu helfen, hatte sie bereits den Fuß in den Steigbügel gestellt und hatte sich in den ungewohnten, arabischen Sattel geschwungen. Sie war auch in Deutschland geritten, hatte aber vor dem Abitur damit aufgehört, da sie sich hatte auf die Schule konzentrieren müssen. Allerdings konnten ihrer Ansicht nach weder die deutschen Pferde, noch deren Ausrüstung mit dieser Pracht hier mithalten. Während Lena noch in den Anblick des wundervoll verzierten Zaumzeugs und des samtenen Sattels vertieft war, setzte sich ihre Stute ungeduldig in Bewegung und sie bemerkte überrascht, daß Retenu schon ein gutes Stück vor ihr auf die Dünen zugaloppierte. Sie gab der Stute die Zügel frei und bald hatte sie Retenu eingeholt, der in etwas langsamerer Gangart auf sie wartete. Retenu schenkte ihr einen anerkennenden Blick, als sie neben ihm angekommen war, und seltsamerweise erfüllte es sie mit Stolz, seine Bewunderung errungen zu haben. In ruhigerem Tempo ritten sie nun nebeneinander her. Lena konnte nicht umhin, sich immer wieder umzusehen, hatte aber wenig Sinn für die einsame Schönheit der Wüstenlandschaft, sondern mußte immer wieder denken, wie trügerisch nahe ihr in diesen Momenten die Freiheit schien. Allerdings durfte sie Retenu nicht unterschätzen. Sie wußte genau, daß er das schnellere Pferd hatte und bei einem Fluchtversuch sie jederzeit einholen würde. Nein, sie mußte auf eine andere Gelegenheit warten. Sie schüttelte die trüben Gedanken ab und nahm sich vor, den Ausflug in die faszinierende Welt außerhalb der Villa einfach ohne Hintergedanken zu genießen. Die Sonne ging inzwischen als glühender Ball über den Felsen auf und tauchte die Welt in ein Spektrum von Farben. Lena zügelte die Stute und schaute fasziniert auf das wundervolle Bild, das die Landschaft bot. Die Schatten der Felsen von tiefem Violett, die Felsen selbst golden, ihre Ränder rot umrissen und der Himmel in allen Farbtönen von Rosa bis Purpur, Lena fühlte sich wie mitten in einem Regenbogen. Retenu hatte seinen Hengst neben ihr gezügelt und wies mit der Hand auf eine schräg vor ihnen liegende Tempelruine, die Lena noch gar nicht gesehen hatte. Es standen nur noch ein paar abgebrochene Säulen und ein Stück Mauer. …
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