… „Hat er sich mit dir verständigt?“ Wieder ein Nicken. „Hat er versucht dich zu etwas zu zwingen? War er grob zu dir? War er unfreundlich oder hat er dich als Sklavin behandelt?“ Lena schüttelte mehrmals den Kopf. „Also hat er dich weder beleidigt noch mißhandelt. Kind sei froh, daß du ihn als Herrn hast. Kein anderer hätte sich für eine Sklavin so eingesetzt wie er und kein anderer würde so viel Verständnis aufbringen. Du mußt dir darüber im Klaren sein, daß wir hier nicht im einundzwanzigsten Jahrhundert leben. Mancherorts ist hier die Zeit stehengeblieben. Merke dir, daß Frauen hier meist Menschen zweiter Klasse sind und finde dich damit ab, daß du sogar noch Glück im Unglück hattest.“ Lena hatte sich aufgesetzt und wischte trotzig die Tränen von ihren Wangen. „Ja, Merit, du hast recht. Kommt Zeit kommt Rat. Ich werde das Beste aus meiner Situation machen und wenn Retenu wirklich etwas für mich übrig hat ....“ den Rest des Satzes vollendete Lena nur in ihrem Denken – „werde ich es schon irgendwie schaffen ihn zu überlisten und ihm zu entkommen.“ – . Mit einem unschuldigen Lächeln schaute sie zu Merit hin, denn ihr war klar, daß die Dienerin sie zwar gut leiden mochte, einen Fluchtplan aber niemals unterstützen würde. Dazu war sie viel zu sehr loyale Dienerin des Hauses Assiz. Tage und Wochen gingen vorüber und Lena begann sich an den Alltag im Hause Assiz zu gewöhnen. Sie half beim Servieren des Essens und wenn der Schaich Gäste hatte, mußte sie tanzen. Ansonsten hatte sie wenig Pflichten und viel freie Zeit. Ihr Arabisch besserte sich von Tag zu Tag und Merit war voll des Lobes für ihre Fortschritte. Ihre Gefühle für Retenu blieben zwiespältig, obwohl sie seine Besuche als willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei herbeisehnte. Er fragte sie viel über ihre Heimat und ihr Leben vor der Entführung aus, aber jedesmal wenn er merkte, daß sich ihre Mitteilungsfreude in Melancholie umwandelte, wechselte er rasch das Thema. Merit wohnte den Zusammenkünften von Retenu und Lena als so eine Art Anstandsdame bei und warf manch neugierigen Blick auf das Paar, da sie ja die deutsche Sprache nicht beherrschte. Bei Lenas abendlichen Tänzen richteten sich Retenus Blicke des öfteren begehrlich und intensiv auf Lenas grazilen Körper, doch bei seinen Besuchen trat er ihr niemals zu nahe; auch nicht, wenn Merit sie zeitweilig alleine ließ. Es schien Lena, als versuchte er ernsthaft ihr Mißtrauen zu zerstreuen und ihre Freundschaft zu gewinnen. …
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