… Neugierde von vorher wandelte sich in tiefste Traurigkeit. Sie erhob sich abrupt und blickte mit vor Tränen funkelnden Augen auf Sunu herab. „Du denkst, dass ich etwas mit den Attentaten auf die Herrin beider Länder zu tun habe!“ Flüsterte sie entsetzt. „Du denkst, dass ich danach strebe große königliche Gemahlin zu werden und dass sie mir im Wege steht!“ Ein Lachen, dass mehr einem Schluchzen glich, stieg aus ihrer Kehle, als sie Sunu den Rücken zukehrte und fluchtartig dem Palast zurannte. Eilig folgte ihr der lange dunkle Mann. Sunu streckte hilflos eine Hand aus, wie um sie aufzuhalten, doch das sah sie nicht mehr. Sunu ließ die Hand sinken, erhob sich mit gesenktem Haupt von der Bank und ging mit hängenden Schultern langsam über die Pfade des abendlichen Parks. Die Diener waren unterwegs, um überall die Beleuchtungen anzuzünden, da sich die Dunkelheit bereits über die Bäume senkte. Seine ziellose Wanderung endete am Ufer des heiligen Sees. Sunu hob den Blick, zögerte und setzte er sich dann ins Gras. Er starrte blicklos auf die riesige goldene Sonnenbarke die im Abendlicht glitzerte und gleißte. Warum nur hatte er das Gefühl, etwas sehr Wertvolles verloren zu haben? Er hatte die Dame Tuja ja gar nicht besessen und es war vermessen zu glauben, dass dazu jemals eine noch so geringe Chance bestanden hätte. Trotzdem konnte er nicht gegen das Gefühl der Leere an, das sein Herz auszufüllen schien. Erst als Re vollends hinterm Horizont verschwunden war und nur noch ein hellblauer Streifen davon kündete, wo er sich befunden hatte, begab er sich zu seinen Gemächern.
*
Der Tag der Tempelbesichtigung brach mit der palastüblichen Betriebsamkeit an, nur war sie heute verhundertfacht, da sich alles und jeder für die kleine Reise ans Westufer bereitmachte. Niemand wollte es sich entgehen lassen, den bereits vor seiner Fertigstellung zur Legende gewordenen Palast der Königin zu betrachten. Es gingen Gerüchte, dass Vergleichbares selbst unter den phantastischsten Bauwerken in ganz Kemet nicht zu finden wäre. Sunu hatte schlecht geschlafen und ließ sich mürrisch von Tunip seine Kriegsgewänder anlegen. Er trug seine kniehohen Stiefel, da er heute zu Pferd unterwegs sein würde und seinen Lederrock mit Bronzeplättchen, die Tunip auf Hochglanz poliert hatte. Allerdings trug er statt des bronzenen Brustpanzers den wertvollen Halskragen mit dem Horusauge, der ihm von Hatschepsut verliehen …
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