… der unnahbare Vater seinen Rang auch zuhause nicht abzulegen vermochte. Wärme oder Zuneigung hatte er von ihm selten erfahren, eher Stolz für erbrachte Leistungen. Ganz anders war Sunus schöne sanfte Mutter gewesen. Sie hatte ihren Sohn geliebt und, wenn der strenge Vater nicht hinsah, ihn auch einmal verwöhnt. Als Sunus Mutter dann vor Jahren von einer Seuche dahingerafft worden war, hatte es seinen Vater nicht mehr zuhause gehalten. Er hatte sich zu einer Schutztruppe versetzen lassen, die für das sichere Geleit der Schiffe zuständig war, welche dem Im- und Export dienten. Sunu, damals noch fast ein Kind, hatte er zur Ausbildung zu den Truppen geschickt und keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet. Vielleicht war zum Teil aus diesem unterkühlten Verhältnis von Vater und Sohn Sunus zurückhaltender Charakter entstanden. Er dachte darüber nach und gestand sich ein, dass zu einem gewissen Teil seine Vorsicht und sein Mißtrauen auch von einem Schicksalsschlag in jüngerer Vergangenheit herrührte. Soweit er sich erinnern konnte, war auch sein Vater erst richtig still und kalt geworden, als die Seuche ihm die geliebte Frau genommen hatte. Da schien sein Herz zu Stein geworden zu sein. Sunu blickte zum Himmel empor, der inzwischen in dunklem Violett erstrahlte. War es ihm selbst nicht ähnlich ergangen? War sein Leben nicht so ziemlich in Ordnung gewesen, bis ihm die Geliebte genommen worden war? Der breite Strom hatte sich zu tiefem Purpur verfärbt, das dunkle Firmament war durchsetzt mit leuchtenden blutroten Streifen. Die Sonne war jetzt fast hinter dem Horizont versunken und der einsame Mann saß immer noch auf dem Felsen, die Schönheit seiner Umgebung nicht bemerkend und seine Gedanken hinter einer hohen glatten Stirn verborgen.
Hatschepsut
Im hellen Licht der Morgensonne, die alles mit einem goldenen Schmelz überglänzte, zog der riesige Troß von Schiffen nil-aufwärts, der Insel Elephantine entgegen. Allen voran glitt der fast völlig mit Gold überzogene Prunksegler des Pharao über den Fluß. Fellachen mit ihren Frauen und Kindern hatten sich am Ufer versammelt, um das einmalige Spektakel zu beobachten und winkten begeistert den Schiffen ihres Herrschers zu. Die Wellen ließen das sich spiegelnde Sonnenlicht in tausend kleine Scherben zerspringen, so dass die Menschen geblendet die Augen zusammenkneifen mussten, um an Bord der Schiffe etwas erkennen zu können. Das Wasser war hier schon bemerkenswert ungebärdig, …
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