… den Händen gerissen hatte. Aus einer der Truhen nahm er zwei Kupferbecher und schenkte sie wortlos voll; dann reichte er einen davon seinem Herrn. Sunu ließ die Hände von seinem Gesicht gleiten und griff nach dem Getränk. Er schüttelte den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können. Nach einem guten Schluck Wein gelang ihn dies schon besser. Normalerweise trank er eher selten und nie zuviel. Doch zurzeit konnte man wohl nichts, was sich in seiner Umgebung ereignete, als normal bezeichnen. Sunu erhob sich mit dem Becher in der Hand und stellte ihn auf den Schreibtisch. Wenn Tuja bereits im Haus des Todes lag, würde er kaum noch nachweisen können, dass sie keines natürlichen Todes gestorben war, was wahrscheinlich sowieso schon äußerst schwierig sein würde und mindestens des Leibarztes der Königin bedurfte. Wer erst einmal am jenseitigen Ufer auf dem kalten Stein lag, war von den Ärzten bereits abgesegnet und nur noch Sache der Totenpriester. Sunus Innerstes sträubte sich gegen die Vorstellung, dass die Vorbereitungen zur Mumifizierung nun an der wunderschönen Dame Tuja vorgenommen werden würden. Man würde sie aufschneiden, die Eingeweide entfernen... Sunu weigerte sich seine Gedanken weiterzuspinnen. Unruhig ging er auf und ab, beobachtet von einem abwartenden Tunip. Der Schreiber ahnte, dass demnächst irgendetwas passieren würde und erhob sich. Er kannte seinen Herrn und diese Unrast hatte meist zu bedeuten, dass er etwas plante. Abrupt blieb Sunu vor ihm stehen. Es war nur ein innerer Zwang und er wusste nicht, wofür es nachher gut sein würde, aber plötzlich war ihm klar: Er musste Tuja noch einmal sehen. Er würde keine Ruhe haben, bevor er sie nicht noch einmal in „vollständigem Zustand“ – allein bei diesen Worten stellten sich ihm die Nackenhärchen auf – gesehen hatte. Dieser Drang entsprang nur seinem Instinkt; aber war er bisher jemals schlecht gefahren, wenn er ihm gefolgt war? Seine kurzfristige Unsicherheit, basierend auf dem Tod von Tuja, war wie weggeblasen. Natürlich spürte er in seinem Inneren immer noch einen dumpfen Schmerz, doch war seine ihm eigene tatkräftige Vernunft wieder zurückgekehrt. „Tunip,“ er schaute seinen treuen Schreiber an, „wir werden ins Haus des Todes gehen und du wirst mir helfen.“ Tunip ließ sich auf den Schreibtischstuhl plumpsen und zog schaudernd die Schultern hoch. „Ins Haus des Todes?“ Flüsterte er. „Herr, ich hab schon viel für dich …
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