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Senmut hatte sich zum wiederholten Male Wein nachschenken lassen. Sunu beobachtete ihn versonnen. Es passte nicht zu dem sonst so vernünftigen Mann, sich zu betrinken. Auf der anderen Seite, was würde er an seiner Stelle tun, wenn er wüsste, dass die Frau seines Herzens in diesem Augenblick unfreiwillig in den Armen eines anderen läge. Auch Sunu ließ es nicht kalt, dass seine von ihm innigst bewunderte Herrin über ihren Schatten springen und sich ihrem schwachen Bruder ergeben musste. Allerdings war sie für ihn doch mehr Herrin und göttliche Königin, als für den Baumeister. Auch wenn dieser es sich nicht anmerken ließ, so hatte Sunu durch die ständige Nähe zu Hatschepsut und ihren Anhängern, zu denen ja auch Senmut zählte, doch öfters den Ausdruck in des Architekten Augen mitbekommen. Dieser Ausdruck galt der Frau und nicht der Königin. Sunu wusste: auch wenn es Blasphemie war, als normaler Sterblicher eine Göttin zu begehren, die Liebe ließ sich nicht befehlen. Er konnte da aus eigener Erfahrung mitreden. Bei diesem Gedanken angelangt sah er sich suchend im Saal um. Nein, die Dame Tuja war immer noch nicht anwesend. Er hatte schon mehrmals die Menge überblickt, sie aber nicht entdecken können. Vielleicht war sie ferngeblieben, um Thutmosis nicht zu begegnen, verständlich wäre es, wenn sie ihm noch eine Weile aus dem Weg gehen würde. Senmut ging es ähnlich wie dem Befehlshaber; keiner von beiden wollte seine Räume aufsuchen und sich …
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