… waren leer, aber für Sunus Begriffe zu viele waren besetzt. Weiter hinten konnte er riesige eckige Steinbehälter erkennen. Er nahm an, dass diese Salz oder Natronlauge enthielten, in was die Leichen nach der Entnahme der Eingeweide eingelegt wurden. Sunu hatte in Jebu einige Kämpfe ausgefochten, viele Leichen gesehen, trotzdem kostete es den Krieger Überwindung den Raum zu betreten. Langsam ging er die Reihen von steinernen „Totenbetten“ ab. Nackt und kalt lagen sie da, nicht bedeckt, nicht geschützt. Manche sahen aus, als ob sie schliefen, manche waren verstümmelt oder schon im fortgeschrittenen Verwesungszustand. Einige von ihnen waren bereits aufgeschnitten, die offenen Leiber mit großen Stichen wieder zusammengenäht. Nicht immer fand man einen friedlichen Tod oder wurde rechtzeitig gefunden um noch „frisch“ zu sein. Zu mancher Jahreszeit reichten ein paar Stunden aus, um eine Leiche in einen unansehnlichen Zustand des Zerfalls zu versetzen, dann war Eile geboten bei den Vorbereitungen zur Einbalsamierung. Die Schritte des Befehlshabers wurden immer langsamer als er sich einer bestimmten Tischplatte näherte. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, ja sie war es. Er wagte kaum, genauer hinzusehen. Hatte man sie schon aufgeschnitten? Trug sie auch schon die lange grob vernähte Narbe auf dem Leib? Nein, er öffnete die Augen wieder und ließ sie über den perfekten Körper gleiten. Tujas sterbliche Hülle war noch unberührt. Die glatte dunkle Haut spannte sich ohne Makel über den flachen Leib. Die Haarmähne hing über den Rand der Steinplatte hinab, das Gesicht war blaß aber selbst im Tode noch schön. Sunu legte die Schatulle auf den Boden, das Schwert neben die Leiche auf den Stein des Tischs und stützte sich mit beiden Armen auf der Platte ab. Er musste dieses Antlitz ansehen, dachte an ihre Augen, die um Hilfe gefleht zu haben schienen, während Tuja tot in ihren Räumen auf dem Boden gelegen hatte. Sunu wusste nicht, was ihn dazu zwang, aber er musste es tun: er legte seine Finger an ihren Hals um zu fühlen, ob noch Leben in ihr war. Er wusste vom Schlachtfeld dass man manchmal, wenn man Herz oder Atem nicht mehr wahrnahm, das Blut pochen fühlte, wenn man eine bestimmte Stelle am Hals berührte. Fast hätte er die Finger zurückgezogen, als er spürte, wie kühl ihre Haut war. Und doch war sie nicht kalt und steif wie die der Toten, die er nach manchem Kampf schon angefasst hatte. Er zwang sich, die …
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