… Allzuviele Stunden konnten wohl doch noch nicht vergangen sein, denn draußen, vor der Schiebetüre, herrschte noch immer Dunkelheit. Einer der beiden Männer schaltete eine kleine Taschenlampe ein, dann wurde Lena grob auf die Füße gezerrt und aus dem Wagen gehoben. sie konnte die Gesichter ihrer Entführer in der fast völligen Dunkelheit nicht erkennen, aber es handelte sich um ausnahmsweise große und breite Männergestalten. Sie wagte nicht, einen Laut von sich zu geben und wunderte sich sowieso, daß man sie nicht geknebelt hatte. Es überraschte Lena aber nicht mehr, als sie feststellte, daß sie sich auf einem verlassenen Pier befanden, an dem die Wellen der unruhigen See heraufbrandeten. Knebeln wäre vollkommen überflüssig gewesen, denn während der Fahrt hätte wohl alles Schreien nichts genutzt und hier würde sie genausowenig jemand hören. Die Lichter einer großen Stadt schimmerten zwar herüber, aber viel zu weit weg, als das irgend jemand von Lenas Not Kenntnis hätte nehmen können, oder ihre Schreie gehört hätte. Die Männer schoben sie an den Rand des Piers, wo an der Kaimauer eine steile Leiter in das stetige Gewoge des Meeres hinabführte. Jetzt erkannte sie auch, daß dort unten ein Ruderboot vertäut lag und auf den Wellen hin- und her schaukelte. Weiter draußen, auf See, erkannte sie die vielen Lichter eines größeren Schiffes und mit einem Mal wurde ihr die ganze Misere ihrer Lage klar. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde sie mit eben diesem Schiff in irgendein fremdes Land entführt werden und wahrscheinlich in einem exotischen Freudenhaus enden. Einer der Männer hatte sich gebückt, um Lenas Fußfesseln zu lösen, damit sie die Leiter zum Ruderboot hinabsteigen konnte. Die Angst schlug wie eine Woge über ihr zusammen. Sie sah ihre letzte, wenn auch noch so geringe, Chance gekommen und trat, kaum daß die Fesseln gelöst waren, den Mann mit aller Kraft zwischen die Beine. Mit einem gutturalen Schrei sank er auf die Knie und dem anderen Mann genau vor die Füße. Das nützte Lena aus und begann zu rennen, so schnell sie konnte. Sie war noch nicht weit gekommen, als sie an den Haaren zurückgerissen wurde und ein brutaler Schlag ihre Wange traf. Sie torkelte und stürzte zu Boden. Wie ein Berg ragte einer der Entführer über ihr auf. Der andere kam mit leicht unsicheren Schritten angetappt und knurrte mit zusammengekniffenen Lippen: „Haste das kleene Biest erwischt?“ Mit einem kurzen Lachen deutete der Gefragte auf Lenas zusammengesunkene Gestalt am Boden. …
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