… Die Maschinen liefen langsamer und auf Deck herrschte aufgeregte Betriebsamkeit. Sie wurde von der allgemeinen Aufregung angesteckt, hatte aber keine Ahnung, ob hier nur eine Ladung gelöscht wurde, oder ob man in den endgültigen Zielhafen einlief. Lena bekam auch keine Gelegenheit jemanden zu fragen, denn anscheinend hatte man heute das Abendessen vergessen. Sie konnte auch die Tageszeit nur grob abschätzen, da sie keine Uhr hatte und hier unter Deck immer die gleiche schummrige Beleuchtung herrschte. Da aber ihr Deckspaziergang schon einige Stunden her war und der knurrender Magen ihr mitteilte, daß das Abendessen schon lange fällig gewesen wäre, mußte es schon später Abend oder Nacht sein. Irgendwann wurden die Maschinen ganz abgestellt und sie hörte, wie Boote an den Seiten des Schiffes heruntergelassen wurden. Nach und nach kehrte Ruhe auf dem Schiff ein. Sie hatte sich schon mit dem Gedanken abgefunden, daß hier wohl nur ein Teil der Ladung gelöscht werden würde und die Mannschaft für eine Weile Landurlaub hatte, als polternde Schritte und Stimmen durch den langen Gang hallten. Lena sprang auf und preßte ihr Gesicht gegen das Gitter ihres kleinen Fensters, um mehr zu sehen und zu hören. Es wurden immer zwei Türen nacheinander geöffnet und sie nahm an, daß immer zwei ihrer Leidensgenossinnen auf Deck geführt wurden. Lenas Kabine befand sich ziemlich am Ende des Ganges und somit war sie die letzte, die auf den Flur geführt wurde. Fritz „Wieselgesicht“ hielt ihren Arm umklammert, während Mario „King Kong“ ein anderes Mädchen grob vor sich her schob. Man hatte also nur gewartet, bis die Matrosen zum Landurlaub von Deck gegangen waren, um weniger Zeugen für diese illegalen Aktivitäten zu haben. Sie erreichten das Deck und die beiden Aufpasser dirigierten das dunkelhaarige Mädchen aus der anderen Kabine und Lena auf die Reling zu. Fritz deutete auf eine Strickleiter, die in die dunkle Tiefe führte und wies sie an, daran hinunterzuklettern. Nur ein auffällig großer und heller Mond ließ erkennen, daß sich am unteren Ende der Leiter ein Boot befand und zum ersten Male erhaschte Lena einen flüchtigen Blick auf die acht anderen jungen Frauen, die sich schon im Boot befanden. Als das dunkelhaarige Mädchen vor ihr sich umwandte, um rückwärts den Abstieg zu beginnen, sah sie die Angst in ihren Augen. Das Mädchen zögerte und Mario riß sie wütend an den Haaren. Da drängte Lena sich vor und mit einem aufmunternden Lächeln ließ sie sich an der gefährlich schwankenden Leiter hinab. …
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