Heute ist Nikolaustag. Vor einem Jahr habe ich erfahren, dass mein Winzling auf die Welt kommen wird. Zum Kaffee bin ich bei meinen Eltern, und ihr Enkelkind bekommt vom Nikolaus eine Spieluhr mit bunten Vögeln, die ihr Liedchen singen, weil Adrian in der letzten Woche gestorben ist und ein Töpfchen mit einem Gänsehals. Ganz schnell soll ich mein Kind daran gewöhnen, dieses Ungeheuer zu benutzen. Mama sagt, dass die Kinder zu ihren Zeiten schon mit sechs Monaten sauber waren und der Schwachsinn mit den Wegwerfwindeln wäre nur unnutzes Kram. Ich bekomme eine elektrische Reibe für Äpfel und Karotten, damit ich künftig nicht mehr das Zeug aus den Gläsern kaufen muss.
An dem Haken an der Decke, an dem der Vogelkäfig hing, hängt jetzt eine grüne Zimmerpflanze, und wenn die Sonne es gut mit ihr meint, wird sie irgendwann blühen.
Pieti ist zurzeit nur manisch. Mit dem Depressiven wurde ich leichter fertig, aber es ist wie weggeweht. Er ist damit beschäftig, Luftschlösser zu bauen und die Ruinen lässt er dann einfach stehen. Er trinkt nur noch roten Johannisbeersaft und weil er weiß, dass ich das Zeug nicht ausstehen kann, hat er ihn ganz für sich allein, er weiß, dass ich nur eisgekühlten Pfirsichsaft mag.
Wenn Showtime ist, brauche ich nicht mehr mitzukommen und auch bei Vernissagen habe ich frei. Mein Winzling nimmt meine ganze Zeit in Anspruch.
Zu Weihnachten will er Rinderbraten. Mama und Papa sind wie immer in der Sonne und Pieti macht sich Sorgen, weshalb der Winzling immer noch nicht spricht. Er ist noch nicht einmal ein halbes Jahr und isst inzwischen Brei vom Löffel und macht seit einiger Zeit Geräusche wie ein junger Hund. Ein Auftraggeber, der mich besuchte, meinte lachend, dass mein Kind fiept wie ein Welpe. Wenn er sich später nach ihr erkundigte, dann hat er immer nur gefragt, wie es dem „Fiepchen“ geht und so bekam sie ihren zweiten Kosenamen.
An jedem Abend geht Pieti in sein Atelier, er hat Angst, dass mein Winzling schreit und er es dann nicht erträgt, weil es seiner Künstlerseele wehtut. Mein Winzling schreit niemals, noch nicht einmal weinen habe ich sie gehört, sie wächst einfach vor sich hin und wird an jedem Tag schöner.
Der Winter ist vergangen, mein Winzling kann jetzt sitzen, und den Kinderwagen habe ich durch eine Karre eingetauscht. …
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