Bei einem der Telefongespräche frage ich Pietis Vater, was mit den Bildern ist und dann muss ich leider erfahren, dass nicht eines mehr von ihnen existiert. Er meint, Pieti hätte sie alle versilbert und das Geld in Wein getauscht. All die unzähligen Flaschen hat er bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken. Dann stellt er mir eine Frage, die ihm nicht leichtfiel: Ob ich mir vorstellen könnte, dass die Beziehung zu dieser Trixi eine körperliche war, wo sie doch so viele Jahre älter wäre als sein Sohn. Ist es denn nur das Recht der Männer, sich einen jüngeren Partner auszusuchen? Das traue ich mich aber nicht zu antworten. Er schreibt mir viele Briefe, ein Fremder könnte denken, dass wir eine Affäre hatten. Ich bewahre sie zusammen mit den Fotos aus den längst vergessenen Tagen in einem Karton im Schreibtisch auf. Irgendwann, in vielen Jahren, wird sie mein Winzling lesen und sich vielleicht darüber freuen. In einem anderen Leben hätte ich seine Tochter werden können, heute möchte ich es nicht mehr sein und auch für liebevoll Geschriebenes kann es zu spät sein.
Auch was diese Sache betrifft, ist mein Mann der Meinung, dass ich sie meinem Kind erzählen müsste. Ich sitze mit ihr am kleinen Tischchen und sage ihr, dass ihr Vater tot ist. Es tut so weh mit anzusehen, wie aus ihren Augenwinkeln kleine, warme Tränchen kullern. Ihre größte Sorge ist, ob wir zur Beerdigung fahren müssen und ich kann sie trösten und ihr sagen, dass das nicht erforderlich ist. Trotzdem spüre ich, dass sie irgendetwas braucht, woran sie sich festhalten kann. Ich schlage ihr vor, dass wir beide uns alleine am Tage der Beerdigung hier an diesem Tischchen wiedertreffen und wenn die Segnungsglocke läutet, wollen wir an ihn denken und ihm wünschen, dass er den Ort gefunden hat, an dem er glücklich ist. Danach ist sie wie erleichtert. Wenn irgend jemand später einmal fragen sollte wer ihr Vater war, kann sie ihm, ohne lügen zu müssen, erzählen, dass er gestorben ist und sie dafür den Papi hat.
In jeder Zeit der Mittagsstunde ist Elsa in meiner Nähe. Sie quengelt herum und meint, dass ich mich beeilen müsste, denn an jedem Tag wäre damit zu rechnen, dass die weißen Mirabellenblüten ihre Knospen öffnen und ich würde bestimmt nicht wollen, dass sie mir dann sagen müsste, ich hätte …
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
3679 Leser seit 1. Jan. 2024 für diesen Abschnitt
Noch kein Kommentar zu dieser Seite.
Sei der Erste!