Am Abend habe ich Pieti erzählt, dass meine Eltern am Samstag kommen. Er meinte nur, dass er dringend in die Stadt muss. Sicher will er sich einen neuen Anzug kaufen, damit er einen guten Eindruck macht. Mittags kommt er aber mit einem Kinderwagen, wie für ein Königskind, zurück. Ich möchte nicht wissen, was er dafür bezahlt hat. Sicherlich hätte man dafür auch einen guten Gebrauchtwagen mit zwölf Monaten TÜV bekommen, und ganz bestimmt hat er dafür einen Scheck von meinem Konto ausgestellt.
Niemand kann mir erklären, weshalb man einen Säugling täglich durch die Straßen schieben muss. In einem Körbchen in der Sonne hätte er es doch bestimmt viel besser. Mache ich diese Fahrten, weil mein Baby sich darüber freut oder schiebe ich es nur durch die Gassen, damit alle Nachbarn sehen, dass ich jetzt Mutter bin? Ganz besonders schlimm finde ich, wenn die Leute mit ihren ungewaschnen Pfoten meinen Winzling im Gesicht betätscheln und mit hochgeschraubter Fistelstimme fragen, wie es uns denn heute geht. Ich nehme mir dann immer vor, dass ich, wenn ich sie mal alleine treffe, ebenfalls an der Stelle kraulen werde, wo eigentlich ihr Kinn sein sollte und dann in Babysprache fragte, wie es ihnen geht. Sicher schauen sie dann ziemlich blöde aus der Wäsche.
Am Samstag haben Mama und Papa den Kinderwagen gebührend bestaunt und sogar meinen Winzling ganz vorsichtig in den Arm genommen. Ob ich sie auch mal zu ihnen bringen würde, haben sie gefragt. Natürlich habe ich „ja“ gesagt, denn ein Kind braucht eine Oma und einen Opa.
Pieti hatte total gute Laune, als meine Eltern zu Besuch waren. Es stand das neue Auto vor der Tür. Nagelneu passt es in seiner Farbe zu unserem Kinderwagen und der passt, ohne dass man ihn zusammenklappen muss, durch die hintere Tür. Beim morgendlichen Eierschalen klopfen sagt Pieti, dass er es schön finden würde, wenn ich mit dem Winzling ins Atelier komme. Als ich eintreffe, ist er mit seiner neuen Bilderserie beschäftigt. Die Bilder sind fast trocken. Bevor er sie mit Firniss endbehandelt, bittet er um mein Urteil. Noch könnte er ergänzen, falls mir die Farben nicht gefallen. Das Gemalte ist ganz ungewohnt, voller Kraft und es erschlägt fast in seinen satten Farben. Während ich dabei bin, sprüht er sie mit Firniss ein, damit sie nicht verändert werden können und die Kraft der Farben erhalten bleibt. Ich …
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