… Nun mußte sie nur noch herausfinden, wann der günstigste Zeitpunkt war, ihren Plan zu verwirklichen. Da der Raum, den sie heimlich aufsuchen wollte, sich im Erdgeschoß befand, war dies jedoch gar nicht so einfach. Der große Saal, die Küchen- und Empfangsräume, alles befand sich ebenerdig. Somit herrschte hier ein ständiges Kommen und Gehen von Bediensteten und Gästen. Lenas Räume im ersten Stock lagen ruhiger; dort hatte sie weniger Probleme damit, irgendjemanden in die Arme zu laufen. Es vergingen wieder Tage, bis sie herausgefunden hatte, daß sich der späte Abend am ehesten für ihren Besuch eignete. Nach dem relativ späten Abendessen saß der Schaich meist noch mit Gästen im großen Saal und die Bediensteten waren damit beschäftigt, diese bei Laune zu halten. In der Nacht standen zwei Diener abwechselnd Wache vor den Räumen des Schaichsohns. Eine Vorsichtsmaßnahme, da der Attentäter, Rasul, immer noch nicht gefaßt worden war. Lena wartete also auf einen Tag, an dem möglichst viele Gäste beim Schaich zu Besuch waren, sie aber nicht tanzen mußte. An einen Samstagabend war es dann soweit. Lena schlich sich aus ihrem Zimmer, die Treppe hinab und in den hinteren Teil des Erdgeschosses, der jetzt ganz still vor ihr lag. Die meisten Menschen befanden sich ja im vorderen Teil, wo sich der große Saal befand. Barfuß huschte sie durch die Gänge und erreichte schließlich, sich immer wieder umsehend und ziemlich außer Atem, die gesuchte Tür. Der Abend war noch jung, deshalb war noch kein Wachposten anwesend. Mit zitternden Händen drehte sie den verzierten Knauf und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß die Türe nicht verschlossen sein würde. Mit einem leisen „Klick“ öffnete sie sich einen Spalt breit und Lena atmete erleichtert auf. Sie glitt vorsichtig in das Zimmer und schloß die Türe so leise es ging. Zitternd lehnte sie sich einen Augenblick von innen gegen daß Paneel und schloß die Augen, um sie an die Dunkelheit zu gewöhnen. Als sie die Lider wieder hob stellte sie fest, daß der Raum von sanftem Mondlicht teilweise erhellt wurde. Die wenigen Möbelstücke warfen dunkle Schatten, aber auf dem weiß überzogenen Bett lag ein heller Schimmer und sie konnte die schlafende Gestalt genau erkennen. Ihr Herz zog sich vor Freude und Sehnsucht zusammen, als sie nach Wochen endlich wieder Retenus geliebtes Gesicht vor sich sah. Vorsichtig umging sie eine Kleidertruhe und ein paar Sitzkissen, dann stand sie vor ihm. …
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