Im Frühjahr erkrankte Manfreds Vater schwer. Die ganze Verwandtschaft hatte er zu sich gerufen. Manfred nahm es gelassen und sagte: „Der Alte denkt, dass er Krebs hat, dabei ist es nur ein Blasenstein aber er verweigert die Kathederuntersuchung.“ Er ist nicht davon überzeugt, dass es so schlimm um ihn steht, wie er es macht. „Er hält Hof und will sich bedauern lassen, aber lass uns gemeinsam hinfahren, damit wir uns keine Vorwürfe machen müssen.“ Wir fuhren also zu ihm nach Hause. Ich traute meinen Augen nicht, als ich im Wohnzimmer, in einem schwarzen Rahmen an der Wand den „Mutterverdienstorden“ entdeckte. Nie zuvor habe ich so etwas gesehen. Dann kam der Älteste mit Frau und Kindern. Als einziger in der Familie war er blond und Martha, seine Frau, hatte ihre Lockenwickler noch im Haar. Niemanden störte das, denn man war es von ihr nicht anderes gewohnt. Nur wenn sie das Haus verlässt, sieht sie anders aus. Offen und frei gehen die Brüder miteinander um. Der Älteste freute sich, mich zu sehen und klärte mich dahingehend auf, dass er schon befürchtet hätte, dass der Jüngste, mein Manfred, schwul wäre. Manfred reagierte noch nicht einmal.
Auch so kann Familie also sein. Zum Muttertag warteten wir wieder mit unserem Besuch auf. Emma hatte herrlichen Kuchen gebacken und ihr zweites Enkelkind musste besichtigt werden. Der Alte war wieder topfit und hatte sich inzwischen eine Geliebte genommen. Früher verkaufte sie in einem seiner Geschäfte Kartoffeln, aber Emma erwähnte es mit keinem Wort.
Ab Mai ist Segelsaison. Manfreds Freund, der Graf, hat uns zum Segeln eingeladen. Ich weiß vom Segeln nur: Blaue Klamotten, weiße Schuhe und bloß nicht an Deck pfeifen. Die Verlobte des Grafen, ein „Fräulein Von“, ist an diesem Wochenende mit ihrer Mutter in der Oper und ohne ihre Mutter hätte der Graf die kleine Fregatte nicht. Während der Woche leitet er die Obst- und Gemüse-Abteilung in einem kleinen Warenhaus und am Wochenende schippert er über die Ostsee. Mitbringen sollten wir Fertigpulver für Kartoffelpuffer, …
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