Im Frühjahr sind wir in die Wohnung ein Stockwerk über uns gezogen. Wir haben jetzt ein Zimmer mehr. Bislang mussten wir drei Kinder uns ein Zimmer teilen. Mama und Papa meinten, ein Junge und zwei Mädchen, dass würde auf Dauer nicht gut gehen. Mein Bruder hat jetzt ein Zimmer für sich und Gott sei Dank haben meine kleine Schwester und ich jetzt auch ein Reich für uns alleine. Wir haben beide ein Bett für uns, das heißt, eigentlich eine Schlafcouch mit einem großen Bettkasten, in dem das Bettzeug tagsüber deponiert wird und für die Nacht dann herausgeholt werden muss. Wir benutzen aber nur ein Bett. Mein kleines Schnubbchen strahlt mehr Wärme aus, als der große Kachelofen im Wohnzimmer. Sie geht vor mir schlafen und wenn ich ins Bett gehe, ist es wunderschön warm und ich finde es herrlich, weil ich ständig friere. Zur Belohnung bekommt sie an jedem Wochenende meinen Nachtisch, meist ist es Schokoladenpudding, den ich sowieso nicht mag. Sie ist dahinter gekommen, dass mir ihre Wärme viel wert ist und jetzt bekommt sie von mir zusätzlich zum Schokoladenpudding auch noch jede Woche einen großen Lutscher. Sie freut sich aber ich weiß, dass sie mich auch ohne den Lutscher wärmen würde.
Es ist kurz vor Ostern und mein erstes Versetzungszeugnis macht mir Sorgen. Ich habe schreckliche Angst, sitzen zu bleiben. Der Unterricht fällt mir leicht, Schreiben, Lesen und Rechnen sind kein Problem, da bin ich bestimmt die Beste, aber im Turnen eine Sechs, das ist wirklich Mist und ich mache mir ernsthaft Sorgen, nicht in die zweite Klasse versetzt zu werden. Ich kann den Pindopp aus der Schnur schlagen, einen albernen, aufziehbaren, wie ihn schon einige andere Kinder haben, brauche ich nicht, ich bin die Straßenbeste beim Hinkelkasten und drehe mit meinem Fahrrad die engsten Kurven auf furchigen Sandwegen. Wäre Hula-Hoop ein Sportfach, könnte ich mindestens mit einer Eins plus angeben, aber Handstand, die Seile hochklettern oder mit gespreizten Beinen über den Bock springen, das kann ich nicht.
Mein Zeugnis ist jetzt doch überraschend gut ausgefallen. Überall nur Einsen, auch in den Kopfnoten wie Betragen im Unterricht und Verhalten in der Schule. Im Turnen habe ich entgegen meinen Befürchtungen doch eine Drei und werde Gott sei Dank in die zweite Klasse versetzt.
Oma hat mich königlich belohnt. Fünf Mark für mein Zeugnis, ein Vermögen. Mama und Papa habe ich nichts davon erzählt, aber ich habe den Lohn meiner Angst mit meinem Bruder besprochen. …
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