… Für die Aufführung habe ich ein neues Kleid bekommen, schwarz-weiß, klein kariert, Pepita heißt das, mit einem weißen Kragen und weißen Manschetten. Der Gürtel ist so eng, dass ich nicht nachhelfen muss. Ich freue mich darauf, wenn ich es anziehen kann. Heute ist Theatertag im Kindergarten. Nach dem Mittagessen habe ich mich umgezogen aber bevor wir dann zur Vorstellung wollten, machte mein Bruder in seinem Zwergenkostüm auf unserem langen Flur seine letzten Sprechübungen. Meine kleine Schwester saß immer noch in der Wanne und planschte. Wenn sie nicht stören soll, wird sie dort hineingesetzt und spielt fröhlich und zufrieden. Sie weiß, dass irgendwann schon jemand kommt, um sie abzutrocknen und anzuziehen. Stolz zeigte ich mich auf dem Flur. Mit Veitstanz ähnlichen Bewegungen kam mein kleiner Bruder auf mich zu. Die Zwergenmütze fast bis über die Augen gezogen krächzt er „Pepita hat ein Röckchen an, das geht bis an die Knie und wenn sie dann ihr Beinchen hebt, dann sieht man ihr... , Pepita hat ein Röckchen an, das geht bis an die Knie und wenn sie dann... .“ Er hätte ewig weiter gekrächzt, wenn Papa nicht in diesem Moment gekommen wäre. Mir schwante wieder eine Verbannung in den Keller oder, mit etwas Glück, vielleicht nur eine verordnete Mittagsruhe im Bett. Zu meiner Überraschung sagte Papa jedoch nur „aber, aber!“ Mein Bruder grinste und streckte mir seine Zunge entgegen. Papa hatte Verständnis dafür, dass ich das Pepitakleid jetzt nicht mehr anziehen wollte. Mama machte ihr spitzes Mündchen und ohne, dass ich überhaupt Zeit hatte, mich weiter zu mokieren, hatte sie mir das Kleid schon über den Kopf gestreift.
Schon beim Anziehen bekam ich die ersten roten Pusteln auf Oberkörper und Rücken und meine kleine Schwester war nach ihrer Wannensitzung beim Abtrocknen noch gesprenkelter als ich. Mama dachte, es könnte an der neuen Seife liegen, die doch so teuer war. Die Kleine und ich hatten einen heißen Kopf, uns war übel, der Bauch brummelte und wir bekamen Durchfall. Mama war ärgerlich, dass ihre Mädchen ewig Zirkus machen. Papa sah es nicht so und deshalb entschied er, ich und mein Bruder sollten schon mal zum Kindergarten gehen, er wollte die Hausärztin anrufen, weil das nicht normal war und unmöglich von der Seife kommen konnte.
Die Hausärztin wohnt um die Ecke und kam sofort. Wie sich herausstellte, lag es nicht an der Seife, wir hatten Masern. Als Papa ihr sagte, dass mein kleiner …
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