… die Nachbarsfrauen an ihren Beinen erkennen. Die Frau des Pferdeschlachters stand mit noch einer Frau vor dem Vorgarten und tratschte. Sie lachten über die Püppi-Geschichte und sagten über meinen Bruder, dass er der Kronprinz in unserer Familie wäre und immer alles darf. Kürzlich hätte er eine von ihnen mit seinem Fahrrad auf dem Bürgersteig angefahren und der ganze Inhalt des Einkaufskorbes wäre auf die Straße gekippt. Eine Salatgurke war nicht mehr zu retten, total vermatscht. Mein Bruder hätte sich noch nicht einmal entschuldigt, aber es würde gar keinen Sinn machen, sich zu beschweren. Ich rief laut und klopfte an die Fensterscheibe. Endlich hörten sie mich und kamen über die kleine Mauer, über den Rasen auf das Fenster zu. „Komm doch raus, bei diesem schönen Wetter musst Du doch nicht im Keller sitzen“ sagte die Frau vom Pferdeschlachter. Aber das war leichter gesagt als getan. Sie konnte es gar nicht fassen, mich hier eingesperrt zu sehen. Entsetzt passte sie Papa ab, zu Mama war sie gar nicht erst gegangen. Papa wollte von all dem nichts wissen und brüllte mit Mama herum, was denn bloß los wäre. Nie zuvor will er bemerkt haben, dass ich im Keller eingesperrt werde. Er öffnete die Tür und zum ersten Mal kam nicht die Frage ob ich denn wisse, weshalb ich eingesperrt worden war. Kurz darauf hörte ich ihn im Auto wegfahren. Er fuhr zum Schützenverein und kam erst am frühen Morgen zurück. Nach diesem Vorfall spricht Mama jetzt nicht mehr mit mir.
Meine kleine Schwester war mit Annegret auf dem Spielplatz und mein Bruder gab im Garten ein Fest. Niemand wollte so recht mit ihm feiern, obwohl er das alte aufziehbare Grammofon und die Schellackplatten in den Garten geschleppt hatte. “Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ und “Wenn die kleine Kuckucksuhr halb zwölf schlägt“ tönte es durch unsere Wohngegend. Wer interessiert sich heute denn noch für diese alten Schinken? Wütend schlug er mit dem Hammer alles kaputt. Aus Papas Schublade hatte er eine Zigarre stibitzt, um sie mit den anderen Kindern gemeinsam zu rauchen. Daraus wurde aber nichts und so rauchte er sie trotzig allein. Nach nur wenigen Zügen hing er kotzend über der Mülltonne. Keines der Kinder half ihm und Mama machte sich Sorgen um ihr plötzlich so blasses Söhnchen. Ich denke, es geschah ihm recht.
Zur Frühstückszeit war Papa gerade erst Schlafen gegangen. Mit spitzem Mund stellte mir Mama das Marmeladenbrot hin. Ich sollte …
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