Nach der Schule habe ich Papa gefragt, wann ich abgeholt werde. Er war entsetzt und sprach mit Annegret und danach war er noch entsetzter.
Zuckersüß und freundlich ist Mama heute Nachmittag zu mir gekommen aber ich fühle mich in ihrer Nähe ziemlich unwohl. Ich weiß nicht, ob ich ihr am liebsten Sand in die Augen schmeißen würde oder sie lieber beißen soll. So gerne hätte ich eine Mama zum Liebhaben.
Ab Ostern soll ich aufs Gymnasium. Mama ist dagegen, Papa und meine Lehrerin sind dafür. Ich bin die einzige aus meiner Klasse, aber vorher sollen mir noch die Mandeln herausoperiert werden, weil ich ständig erkältet bin und Probleme mit meinem Hals habe. In einer kleinen Privatklinik haben wir kurzfristig einen Termin bekommen und ehe ich mich versah, lag ich dort in Vollnarkose. Auch Papa und mein kleiner Bruder waren im Herbst dort und sind jetzt mandellos. Ich hatte schreckliche Angst, meine Stimme zu verlieren oder die Narkose nicht zu überleben. Außer, dass ich nach dem Aufwachen alles furchtbar vollgekotzt habe und die Lernschwester die ganze Schweinerei aufwischen musste, war nichts weiter passiert. Papa belohnte ihre Arbeit mit Pralinen, aber trotzdem hat sie mich bis zu meiner Entlassung giftig angesehen.
In der neuen Schule fühle ich mich schrecklich einsam. Niemand aus meiner alten Klasse ist da, die Kinder und auch die Lehrer sind alle neu. Obwohl ich sehr aufgeregt war und ein flaues Gefühl in der Magengegend hatte, musste ich den Schulweg am ersten Tag ganz alleine gehen, weil ich mich in der Gegend auskenne. Bei den anderen Kindern kamen die Mütter oder die Väter mit. Ich fühlte mich so schrecklich einsam und verloren. Der Direktor und auch die Studienräte mögen mich bestimmt auch nicht.
Mit Mama kann ich über die Schule nicht sprechen. Für sie ist es dummes Zeug, das ich ohnehin in meinem ganzen Leben nicht brauchen werde. Papa erwartet dagegen viel zu viel. Ich lerne jetzt Englisch, Mathematik und Geografie. Anstatt Turnen haben wir Sport und Handarbeit heißt jetzt Textiles Gestalten. Mamas Mund wurde immer spitzer. Sie kennt ihre …
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