… an Mamas Bett. In einem Zweibettzimmer lag sie blass und abgespannt in den weißen Laken und lächelte trotzdem fröhlich. Sie wirkte kein bisschen krank, war schön gekämmt und hatte ein neues Nachthemd an. Ich traute mich, ihre zarte Hand zu streicheln. Sie nahm mich liebevoll in den Arm und wischte mir meine Tränen aus den Augenwinkeln. Eine große Frau, in einem steifen langen, weißen Kleid mit einem Häubchen auf dem Kopf kam herein und brachte ein Püppchen in einem Steckkissen, es war mein neues Schwesterchen. Mama strahlte und wickelte sie aus. Nackt, rosig und knubbelig lag sie auf der Bettdecke. Ich durfte sie anfassen, ihre kleinen Füßchen bewundern, und dabei umfasste sie mit ihrer winzig kleinen Hand ganz fest meinen Zeigefinger. Sie hat blonde Löckchen, Grübchen im Gesicht und ich hatte das Gefühl, dass sie mich mit großen blauen Augen angeschaut hat, so, als ob sie sagen wollte: „So, so, Du bist also meine große Schwester.“ Ich freue mich darauf, wenn sie endlich zu Hause ist. Jetzt musste sie aber erst einmal wieder eingepackt werden, und Mama verwandelte das kleine Bündel routiniert und geübt wieder in das Steckkissen-Püppchen. Die Frau in dem langen weißen Kleid sagte, dass es Zeit für das Fläschchen war. Wie ich und mein Bruder, ist meine kleine Schwester ein Flaschenkind.
Nur wenige Tage sind vergangen, und Mama ist mit dem Baby wieder zu Hause. Der Tagesablauf ändert sich nur wenig. Probleme macht mein kleiner Bruder. Er fühlt sich vernachlässigt, obwohl es wirklich nicht so ist.
Bald ist mein erster Schultag. Ich freue mich und mache mir Gedanken, ob Mama Zeit hat, die Vorbereitungen dafür zu treffen. Zur Einschulung habe ich einen Tornister aus hellem Leder, gefüllt mit den wichtigsten Dingen für mein neues Leben und eine Zuckertüte, fast größer als ich, bekommen. Dann auch noch ein neues Kleid, Mantel und Schuhe und für mein Haar eine neue Taftschleife. Ich habe mich unglaublich gefreut, dass meine geliebte Oma Tik-Tak mit dem Zug gekommen ist. Auf dem Weg zur Schule schob ich stolz den Kinderwagen mit meiner kleinen Schwester, es war ihre erste Ausfahrt. Mein kleiner Bruder zickte, Uroma, Mama, die Kleine und ich, vier Frauen und er, dieser Zwerg, noch kein Mann, erst ein Männchen, das war zuviel für ihn. Er ging vorweg, als ob er uns nicht kannte.
Mittags machte Papa mit uns Fotos im Garten. Mein kleiner Bruder wollte vorne stehen und die Schultüte tragen und weil das nicht …
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