Die Angst vorm Leben und auch die Sorge, wie sich die manisch-depressive Schizophrenie von Pieti auf mein Kind auswirkt ist vorbei. Sie sagte, dass Spermien doch nichts dazu können und dass eine Störung des Empfindens nicht vererbbar ist. Sie war sich sicher nicht bewusst, dass sie mit diesen wenigen Worten die Sonne in mein Leben zurückgebracht hat. Sie hätte zu gerne gehabt, dass Pieti zur Beratung mitgekommen wäre, doch davon wollte er nichts wissen. Er betrachtete es als albernen Quatsch und glaubt, dass er der einzige auf der Welt ist, der noch normal empfinden kann. Dabei ist das Einzige, was er klar empfindet, wenn sein Ei zu hart gekocht ist oder wenn er bei seinem Morgentoast mit Seranoschinken die Tabascosoße vermisst. Darüber hinaus merkt er gar nichts mehr. Papa hat sich auch einen Termin bei meiner Psychologin geben lassen, aber er hat mir nicht erzählt, über was er mit ihr gesprochen hat.
Langsam kehrt der Alltag wieder ein. Der Leiter meiner Krankenkasse rief mich an und erkundigte sich nach meinem Befinden. Er dachte an eine Therapie aber hatte nicht den Mut, es auszusprechen. Da wir uns schon lange kannten, lud ich ihn einfach zum Kaffeetrinken ein. Er nahm meine Einladung gerne an und dabei erzählte mir aus seinem Leben. Ganz früh war seine Frau verstorben und er war plötzlich mit drei Kindern allein. Sein jüngstes Kind ist mongoloid und trotzdem macht es ihm viel Freude und er möchte es nicht eine Sekunde missen. Als wir uns verabschieden, schäme ich mich entsetzlich vor mir. Was habe ich mir nur gedacht, einfach vor den Tagebüchern wegzulaufen, sie sind doch nur Papier und der Mensch, der dieses dumme Zeug geschrieben hat, gehörte niemals richtig zu mir, er hat mich einfach nur gebraucht.
Auch Bärbel aus dem Personalbüro ist bei mir vorbeigekommen. Sie meinte, ich soll mich schonen und alle würden sich freuen, wenn ich nach meiner Entbindung wiederkomme. Mit keinem Wort habe ich ihr gesagt, was wirklich geschehen ist.
Bei allem, was sie machte, habe ich versucht, Elsa nah zu sein, aber immer, wenn ich mit ihr reden wollte, hat sie ganz einfach weggehört.
Elsa war ein richtiger Putzteufel und schwirrte jeden Tag wie ein Kreisel durch ihre Wohnung. Ständig fand sie etwas, was sie entsorgte. Bilder, Briefe und Belege schmiss sie einfach weg, sie wusch ihre Gardinen, obwohl sie kaum von der vorhergehenden Wäsche getrocknet waren. …
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