Unter meinem Zimmerfenster steht das gemauerte Mülltonnenhäuschen. Der Abend war mild und frühlingswarm. Bernd saß auf dem Mülltonnenhäuschen und ich saß im geöffneten Fenster. Miteinander zu reden, haben wir uns nicht getraut, aber unsere Blicke haben das ausgedrückt, was wir uns nicht zu sagen wagten. Dann tönte Papas barsche Stimme über den Flur, dass ich sofort das Rollo herunterziehen sollte. Damit war der Kontakt zur Außenwelt nun für mich verschlossen und Bernd ging mir plötzlich total auf die Nerven. Ich glaube, er sieht mich schon Babyhöschen strickend und verheiratet und ich bin doch noch nicht einmal schwanger.
Das ruhig verlaufende Gespräch zwischen unseren Eltern ging in größter Feindschaft auseinander. Zwei Elternpaare - und doch durch Welten getrennt. Die einen fürchten die Schwangerschaft und werden alles tun, um sie zu verhindern, die anderen freuen sich und würden alles tun, um jede Verhinderung auszuschließen. Bernds Vater erinnerte meine Eltern daran, dass es bei ihnen nicht anders gewesen war. In dem Alter ihrer Kinder wären sie immerhin schon verheiratet gewesen und hätten ein Kind gehabt. So viel Dreistigkeit von einem Flüchtling aus Königsberg, der sich den Lastenausgleich eingesteckt hatte und noch nicht einmal Bernds leiblicher Vater war, brachte Papa auf die Palme. Bernds Mutter ließ keinen Trumpf aus und erwähnte die Wäschefabriken irgendwo in der Ostzone, denn die dort hergestellten Nachthemden der Marke „Liebestod“ würden irgendwann schließlich einmal von Bernd verwaltet. Ewig konnte dieser Zustand ja nicht dauern. Papa konterte die Vorhaltungen damit, dass damals ja auch andere Zeiten waren. Die Zeit damals war so anders, dass …
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