… da man meist die Ruder einsetzen mußte. Nefer kam sich sehr einsam vor und ließ sich immer wieder die Anweisungen, die sie durch die Königin erhalten hatte, durch den Kopf gehen. Sie würde am Hafen von Theben an einer bestimmten, kleineren Anlegestelle von Bord gehen und dort auf weitere Instruktionen warten. Mehr vom Plan wollte Nofretete nicht preisgeben. Sie hatte nur gesagt: „Wenn ich dir nichts verrate, kannst du dich niemanden gegenüber verplappern. Ich traue dir zwar zu, daß du schweigen kannst, aber es gibt Mittel und Wege sogar die treuesten Freunde zum Verrat zu zwingen.“ Nun war die junge Frau also auf sich allein gestellt. Nach fünf langen Tagen und Nächten, in denen sie vorwiegend an Antef gedacht hatte, kamen die ersten Häuser der Stadt der tausend Tore in Sicht. Das schlanke Schiff fuhr eine unscheinbare etwas abgelegene Anlegestelle an und wenig später stand Nefer im Gedränge der Hafenarbeiter, Fischfänger und anderer Einwohner und wußte nicht, was sie tun sollte. Die feinen Haare in ihrem Nacken stellten sich auf; sie hatte das bestimmte Gefühl, daß sie beobachtet wurde. Plötzlich, wie schon einmal vor langer Zeit im Lotussaal, fühlte sie eine kräftige Hand auf ihrer Schulter. Als sie erschrocken herumwirbelte, sah sie in die funkelnden Augen des General Haremhab. Als er ihren bestürzten Gesichtsausdruckbemerkte, begann er leise zu lachen. „Wen hast du denn erwartet? Deinen hübschen Arzt?“ Nefer lag schon eine freche Antwort auf der Zunge, doch die Erleichterung über Haremhabs Auftauchen ließ sie diese verschlucken. Er wurde wieder ernst und fuhr fort zu reden: „Ich habe lange mit der Königin beratschlagt und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß ich mich nicht zum Spionieren eigne. Jeder kennt mich und Eye ist mir gegenüber sowieso schon mißtrauisch. Bei dir sieht es anders aus.“ Er blickte sie abschätzend an. „Allerdings müssen noch ein paar Veränderungen vorgenommen werden.“ Damit zog er die verwunderte Nefer hinter sich her.
*
Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie auf die rote Lockenpracht blickte, die nach und nach den Fußboden des Raumes bedeckte. Der Mann, der den Schaden anrichten mußte, schimpfte und zeterte vor sich hin, was es für eine Schande sei, das schöne Haar abzuschneiden. Man sah ihm allerdings an, daß hinter seiner Stirn schon die Rechnung aufgestellt wurde, wieviel er für eine Echthaar-Perücke aus dieser Pracht …
◄ zurück blättern Beurteilen Sie den Text bitte fair.
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
301 Leser seit 1. Jan. 2025 für diesen Abschnitt
Noch kein Kommentar zu dieser Seite.
Sei der Erste!