Tempel
Nefer näherte sich zögernd dem riesigen von Obelisken gerahmten Pylonentor, das von zwei steinernen Pharaonen beschützt wurde, stieg dann aber entschlossen die breiten Steinstufen hinauf. Ein Wachposten stand davor und ließ lässig seinen Speer vor ihre Brust schwenken. Als sie ihm die Papyrusrolle reichte, öffnete er kurz das Tor und überreichte es einem vorbeikommenden Priester. Dieser erbrach das Siegel, überflog den Inhalt und winkte Nefer zu, ihm zu folgen. Sie durchquerten zuerst einen hohen, prunkvoll ausgestatteten überdachten Säulengang, dann den nach oben offenen, von drei Reihen Säulen umgebenen Sonnenhof und bogen vor den Räumen, welche zum Allerheiligsten gehörten und in denen früher der widderköpfige Gott Amun verehrt worden war, durch eine Seitenpforte ab. Diesen Tempel hatten die zerstörerischen Tilgungen der Götternamen und Bilder am ärgsten mitgenommen, da Amun und seine Priester die schlimmsten Konkurrenten des Sonnengottes Aton waren. Überall auf den buntbemalten, mit vielen Intarsienaus Gold und Elektrum versehenen Wänden klafften Löcher, durch die das rohe Baumaterial des Tempels zu sehen war. Nefer folgte dem Priester und über einen weiteren Säulengang erreichten sie einen großen Saal. Dort sah sie überall jüngere und ältere kahlgeschorene Männer hantieren. Einige behandelten gerade Patienten, andere arbeiteten an irgendwelchen Mixturen; wieder andere zogen Zähne oder behandelten kleinere Wunden. Der Priester erklärte Nefer, daß sie einfach nur herumgehen und die Ärzte und Auszubildenden fragen solle, bei was sie behilflich sein könne. Er würde dann am Abend wieder kommen und ihr das Quartier zeigen. Nefer legte das kleine Bündel, welches ihre gesamte momentane Habe enthielt, in eine Ecke und begann ihre Arbeit.
*
Als sie abends von dem ihr bereits bekannten Priester abgeholt und in ihr Quartier geführt wurde, fühlte sie sich wie gerädert, aber auch zufrieden. Sie hatte sehr interessiert beim Zubereiten von Kräutertränken und verschiedenen Salben geholfen, was ihr ja aus der Kindheit noch …
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