Die Entführung
Nefer schlief schlecht in den Nächten nach Echnatons Tod. Sie ging oft bei Dunkelheit in den Gärten oder im Innenhof spazieren. Dann trug sie den mit bunten Perlen besetzten Kragen, den ihr Nofretete zum Namensfest Echnatons geschenkt hatte. Liebevoll strich sie immer wieder über das Schmuckstück und erinnerte sich an die sonnigen Tage, bevor Intrigen und Verrat den Untergang des Reiches Atons besiegelt hatten. Wenn sie dann die Erschöpfung übermannte, begab sie sich in ihre Räume. Am Abend dieses dritten Tages war sie wieder in den Gärten unterwegs. Als sie eine der kleinen Pforten zum Palast passierte sah sie, daß der Hauptmann Huya dort Wache stand. Sie wollte ihn, um sich von ihren düsteren Gedanken abzulenken, nach Neuigkeiten fragen. Als sie jedoch näher trat merkte sie, daß er auffällig starr und verkrümmt an der Tür lehnte. Voller Angst näherte sie sich dem Mann und erkannte, von Grauen geschüttelt, daß er von einem Pfeil mitten durchs Herz an den Bohlen festgenagelt war. Nefer stieß einen hohen schrillen Schrei aus der abrupt abbrach, als sich eine Hand auf ihren Mund preßte. Der andere Arm des Angreifers legte sich wie eine Klammer um ihren Hals und drückte zu. Nefers Welt begann im Nebel zuversinken.
*
Sie erwachte, weil sie einen unerträglichen Druck auf ihre Magengegend verspürte und sich übergeben mußte. Sie dachte zuerst, sie befände sich wieder auf dem schlingernden Sklavenschiff, welches sie aus der Heimat entführt hatte; dann klärten sich ihre Gedanken und sie öffnete vorsichtig die Augen. Der Morgen war bereits angebrochen. Unter sich sah sie schwankenden gelben Wüstensand und lange, behaarte Beine. Es wurde ihr klar, daß sie bäuchlings auf einem Kamel festgebunden war. Sie hob den Kopf ein wenig höher, was zur Folge hatte, daß sie sich beinahe zum zweiten Male übergeben mußte. So konnte sie aber die Umgebung …
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