Ein makabres Versteck
Sie durchschritt das Tor, das von zwei Soldaten bewacht wurde, welche aber der zerlumpten Gestalt keinen zweiten Blick gönnten, die mit einem zersprungenen Krug auf dem Haupt an ihnen vorbeiging. Nefer folgte eine Weile dem ausgetretenen breiten Pfad und bog dann in Richtung Westen ab, wo sie ein paar von Höhlen durchbrochene Felswände aufragen sah. Den fruchtbaren Ufern des Nils hatte sie schon lang den Rücken gekehrt und sie schmeckte die sandige Trockenheit der Wüste auf ihrer Zunge. Aton hatte den Zenit schon deutlich überschritten und im diffusen goldenen Licht des späten Nachmittags und dem vom leichten Wüstenwind aufgewirbelten Schleier des gelben Sandes verschwammen die Konturen der Felsen und der Stadt hinter ihr. Je näher sie allerdings den Felsen kam, je deutlicher wurden die Umrisse ihrer Zinnen und Spalten. Nefer entdeckte nun auch die sandfarbenen hausähnlichen Gebäude, welche sich vor der Felswand erhoben. Sie blieb stehen, schützte ihre Augen mit der flachen Hand gegen das Sonnenlicht und spähte angestrengt auf die ihr unerklärlichen Häuser. Plötzlich fiel ihr eine der Geschichten wieder ein, die ihr Antef in ihren vielen Stunden im Palastgarten mit amüsiertem Grinsen erzählt hatte: „Vor vielen, vielen Jahren, als Ober- und Unterägypten noch nicht einmal ein gemeinsames Reich waren, ließen sich die Könige der unteren Hauptstadt Gräber bauen, die Wohnhäusern nachempfunden waren. Wenn ich richtig informiert bin, besaßen sie sogar einen Abort und Baderäume.“ Bei der Erinnerung schloß Nefer kurz die Augen und fast war ihr, als ob sie die Düfte der exotischen Blumen des Palastgartens und Antefs leichte Berührung wahrnehmen könnte und ein wehmütiges Lächeln huschteüber ihre Lippen. Als sie die Augen wieder öffnete, …
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