… „Sir, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“ antwortete er zögernd. Endlich drehte der Mann sich um, Sam schloss deprimiert die Augen. Sie sah die gleichen Gesichtszüge, wie bei Jessicas Peiniger. Das war keine entfernte Verwandtschaft, die beiden mussten Brüder sein. Dieses Exemplar war nicht fett. Trotz seiner Masse wirkte er durchtrainiert. Wieder ertönte die volle Stimme. „Wenn ich deine Meinung hören will, sage ich dir welche. Raus jetzt“. Nach diesen Worten entfernten sich der Fahrer und sein Kollege hastig aus dem Raum. Als die Tür ins Schloss fiel, klang das in Sams Ohren ziemlich endgültig. Sie wappnete sich, weil sie davon ausging, dass er sofort über sie herfallen und sie schlagen würde. Trotzig hob sie den Kopf und sah ihr Gegenüber an. Ihre Blicke trafen sich. Er musterte sie eingehend und setzte sich schließlich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches. Er verschränkte seine Hände auf der Tischplatte und betrachtete eingehend seine manikürten Fingernägel. Die Stille fühlte sich zäh und schwer an. Wieder sah er Sam direkt in die Augen, sein Blick war durchdringend. Sam rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Der Mann registrierte dies mit einem zufriedenen Lächeln. „Ich will eins wissen, warum?“ Sam sah hinüber zu dem Portrait. „Wer ist das?“ Miguel sah kurz das Bild an. „Das ist mein Vater. Er starb vor zwei Jahren. Er war Polizeichef und Bürgermeister, 18 lange Jahre. Als er sich zur Ruhe setzte, trat ich seine Nachfolge an. Manuel, mein Bruder, hat sich mehr den wirtschaftlichen Geschäften dieser Region gewidmet. Dein Interesse an unserer Familiengeschichte überrascht mich. Und jetzt will ich wissen – WARUM!!!“ Eine Ader an seiner linken Schläfe fing heftig an zu pulsieren. Sam entschied, dass es wohl besser wäre, ihm die gewünschten Informationen zu geben. Also erzählte sie ihm von der unsäglichen Nacht und von Manuels Geständnis, dass er sich auch an Miguels Kindern vergriffen habe. Sam sprach mit monotoner, leiser Stimme. Sie hielt den Blick gesenkt auf ihre zwischen den Knien gefalteten Finger und betrachtete das kalte Metall ihrer Handschellen. Sie spürte, wie die Ereignisse der Nacht sie erneut umklammerten. Während sie sprach, blickte sie ab und zu verstohlen hoch, ob Miguel irgendeine Reaktion auf ihre Worte zeigte. Doch Miguel hatte sich mit dem Stuhl zur Seite gedreht und war wieder in den Anblick des Portraits seines Vaters versunken. …

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