… “ Neben Jessica stand Jo, der wie ein aufgezogener Zinnsoldat den Kopf schüttelte, mit der rostigen Heckenschere blutrote Rosenblüten abschnitt und mit kratziger Stimme leierte: „Er hat dich bei mir tanzen sehen, du hast ihn zu Jessica geführt, ohne dich würde sie noch leben, du bist schuld, du bist schuld ...“ Sam erwachte schweißgebadet in ihrer Arrestzelle. Ihr ganzer Körper schmerzte von den Anspannungen der vergangenen Nacht. Wie spät war es? Hatte sie nur kurz geschlafen oder hatte ihr erschöpfter Körper sich über Stunden den erholsamen Schlaf einfach eingefordert? Die Tür zu ihrer Arrestzelle wurde geöffnet. Eine kleine, zierliche Frau mit einem fröhlich gelben Kopftuch betrat den Raum, die Tür wurde hinter ihr geschlossen und verriegelt. Sam schwang die Beine über die Kante ihrer Schlafstätte und sah die Frau erwartungsvoll an. Das Kopftuch verbarg pechschwarzes, dickes Haar, das kaum zu bändigen war. Die Frau strich sich eine besonders widerspenstige Strähne immer wieder aus der Stirn und steckte sie hinter ihr Ohr zurück. Die Mexikanerin hatte warme, dunkelbraune Augen, mit denen sie Sam verlegen musterte. Sie trug einen kleinen Weidenkorb am Arm. Sam atmete tief ein und nahm den schwachen Geruch von Kaffee und warmen Brötchen wahr. Sofort meldete sich ihr Magen und fing laut an zu knurren. „Oh, wie unhöflich von mir. Sie müssen wahnsinnig hungrig sein.“ Die Frau trat hastig an Sams Seite, ließ sich auf der Matratze nieder und stellte den Weidenkorb zwischen sie. Sam sah verdutzt in den Korb, dort befand sich eine Thermoskanne, zwei Brötchen mit Salami und ein giftgrüner Apfel. Sam sah die Unbekannte fragend an. „Nun los, greifen Sie tüchtig zu.“ Die Frau lächelte Sam auffordernd zu. Sam griff sich eins der belegten Brötchen und biss herzhaft ein großes Stück ab. Während Sam kaute, öffnete die Frau die Thermoskanne, und goss duftenden Kaffee in den Deckel der Kanne. Sie reichte ihn Sam und sprach im lockeren Plauderton. „Ich bin Anita, Miguels Frau. Ich hatte leider keinen Platz mehr für Zucker und Milch, aber ich hoffe, sie trinken ihn auch schwarz.“ Sam blieb der große Bissen im Halse stecken. Sie hustete so heftig, dass ihr Tränen in die Augen traten. Wie beiläufig klopfte ihr Anita den Rücken und versicherte „Alles in Ordnung, das Frühstück ist weder vergiftet, noch haben sie von mir irgendetwas zu befürchten.“ Sie reichte ihr den Becher mit Kaffee. Sam trank das heiße Gebräu mit kleinen Schlucken und war froh, dass der halbgekaute Bissen in ihrem Hals spürbar durch ihre Speiseröhre rutschte. …

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