Sam erinnerte sich an eine Predigt, die sie als Kind gehört hatte. Der Pfarrer hatte zitiert „... und lasset die Kindlein zu mir kommen ...“ oder so ähnlich. Wie makaber dieser christliche Spruch dem Vergleich zu Summersbys Taktik stand hielt. Summersby betrieb ein gutgehendes, exklusives Kinderbekleidungsgeschäft in einer der teuersten Einkaufsstraßen von Rom, der Via Condotti. Viele wohlhabende Einheimische und Touristen blieben lange mit ihrem Nachwuchs vor dem riesigen Schaufenster von Summersbys Laden stehen. Das Schaufenster war kindgerecht dekoriert und neben den neuesten Modellen von Prada, Armani, Gucci und anderer namhafter Designer, die die Schaufensterpuppen trugen, war das ganze Stillleben eine einzige Symphonie der angesagtesten und hippsten Spielzeugwaren. Zwei Puppenjungs im coolen Armani-Outfit betrachteten die neuesten iPhones. Zwei Puppenmädchen beugten sich neugierig in ihren Prada-Kleidchen über eine Box mit niedlichen Retriever-Welpen, die fröhlich miteinander balgten. Keine Stofftiere, sondern Lebendware. Sam sah das Schaufenster deutlich vor sich. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund waren Sam die Schaufensterpuppen immer merkwürdig unheimlich erschienen. Ob dies mit ihrem aktuellen Auftrag zusammenhing oder an der Illusion, dass sie über dem Schaufensterarrangement feurig rote Augen unter gebogenen Hörnern zu sehen glaubte, würde sich ihr nicht offenbaren. Das Trugbild schimmerte nur dann vage auf der Schaufensterscheibe, wenn Sam ihren Blick von den Stofftieren des Geschäfts abwandte. Nur ein Blitzen in den Augenwinkeln. Ob dies ein Zeichen war? Sie hatte viele Stunden im gegenüber liegendem Café verbracht, so manchen Latte Macchiato geschlürft und das Schwein und seinen Laden observiert. Hier rekrutierte er seine ahnungslosen Opfer. Summersby war schlau genug, um sich nicht an den Kindern der zahlenden Kundschaft zu bedienen, das hatte Sam unerwartet schnell herausgefunden. Er wählte seine Opfer nur unter denen aus, die seine Auslagen betrachteten. Sam war durch Zufall darauf gestoßen. Über 70 % der verschwundenen Kinder lebten mit ihren Eltern in Rom oder hatten dort einige Tage ihres Urlaubes verbracht. Die Gemeinsamkeit, obwohl sie zunächst so unbedeutend erschien, war Sams einziger Strohhalm, an den sie sich klammern konnte. …
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