… Sie endete mit ihrem Bericht, als die Polizisten die Laube betraten. Sam sah erneut auf ihre Handschellen und versank wieder in den Ereignissen, die hinter ihr lagen. Der plötzliche Schlag traf sie unerwartet. Miguels Hand klatschte hart gegen ihre linke Wange. Die gesamte Gesichtshälfte wurde erst taub, bis sich dann ein brennender Schmerz ausbreitete. In Sams linkem Ohr klingelte und dröhnte es. Sam unternahm gewaltige Anstrengungen, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Miguel lief hin und her, er bewegte sich für seine Körperfülle mit erstaunlicher Geschmeidigkeit und Eleganz. Er griff langsam mit beiden Händen nach Sams Schultern und umklammerte sie schmerzhaft. Unsanft zog er sie von ihrem Stuhl hoch. Sam war immer noch benommen und nahm die Geräusche wie durch Watte war, ihr linkes Auge brannte, heiße Tränen flossen aus ihrem Augenwinkel, so dass sie ständig blinzeln musste. Miguel zischte sie an. „Du lügst, du elende Schlampe, Manuel hätte nie seine Familie entweiht. Dafür wirst du büßen.“ Sam war sich nicht sicher, ob es an ihrer ständigen Blinzelei lag oder ob sie wirklich für einen Moment Panik und Verstehen in Miguels Blick gesehen hatte. Ein kleines Fünkchen Hoffnung keimte in ihr auf. „Befragen Sie Ihre Kinder. Ich sage die Wahrheit.“ Er stieß Sam zurück auf den Stuhl und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Sam wischte sich mit zusammengebundenen Händen die Tränen aus dem Gesicht. Ihr Blick fiel auf das große Portrait. Unerbittlich schaute der Vater der beiden Männer, die ihr Leben so einschneidend verändern würden, auf sie herab. Sie ertrug diesen Anblick nicht und wandte sich entmutigt ab. Was würde Miguel jetzt tun? War er auf dem Weg, seine Dienstwaffe zu holen und ihr in den Kopf zu schießen? Würde er vielleicht den Baseballschläger vom Tatort an sich nehmen, um sie zu Tode zu prügeln oder würde er, in Gedenken an die Qualen seines Bruders, sie mit der rostigen Heckenschere bearbeiten?
Sam schluchzte laut und versuchte unter Aufbietung ihrer letzten Kraftreserven, die Tränenflut zurück zu halten. Aber sie hatte weder Kraft, noch Reserven und so ließ sie resigniert ihren Tränen freien Lauf. Wenig später kamen zwei Uniformierte und führten sie in eine der Arrestzellen. Sam rollte sich auf der fleckigen Matratze zusammen, zog die Knie bis an die Brust und war in Sekundenschnelle eingeschlafen. In ihren Träumen erschien immer wieder Jessica, die sie mit vorwurfsvollen Blicken anschrie: „Du warst nicht da. …

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