… Blutergüsse und blaue Flecken sollten wohl ihre geringste Sorge sein. Mit einem Ruck bedeutete ihr der Fahrer, stehen zu bleiben. „Wo ist er?“ herrschte er seinen Kollegen, der auf einem Stuhl hinter der Theke des Eingangsbereiches saß und sich eine Orange schälte, an. „Im Vernehmungsraum 4. Er erwartet euch. Ramon, du sollst das Protokoll schreiben, sofort.“ Der diensthabende Polizist wandte sich an Sams Bewacher von der Rücksitzbank. Ramon schien verärgert zu sein. „Hey, ich will mit und beim Verhör dabei sein.“ Der Fahrer zog Sam unsanft weiter. Hinter ihnen hörte Sam Ramon immer noch schimpfen und fluchen. Sie gingen durch einen langen Flur, von dem auf der linken Seite mehrere Türen abgingen. Am Ende des Flures gingen sie über eine gewundene Treppe in den unteren Bereich der Polizeistation. Hier befanden sich Ausnüchterungszellen, Arrestzellen und Vernehmungsräume. Die Wände waren kahl und von kackbrauner Farbe. Der Boden war mit meergrünem Linoleum ausgelegt, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Überall das grelle, erbarmungslose Licht der Neonröhren. Am Ende des Ganges befand sich eine Tür, von der die weiße Farbe schon an vielen Stellen abgeplatzt war. Der Fahrer klopfte kurz und zog die Tür auf. Sie betraten einen L-förmigen Raum. In der Mitte stand ein schwerer Holztisch mit zwei Stühlen. Ein einziges Bild hing in diesem Raum, ein großes rechteckiges Portrait eines Mannes, der Sam entfernt bekannt vorkam. Vor dem Portrait stand ein Mann, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Seine dunkelblaue Uniform spannte über seinen gewaltigen Schultern. Über dem Kragen wölbte sich sein Stiernacken, das dunkle Haar trug er militärisch kurz. Der Fahrer stieß Sam auf einen der Stühle und räusperte sich kurz. „Miguel, Sir, wir sind da.“ Miguel fuhr fort, das Portrait anzustarren. Sam starrte auf die blank gescheuerte Platte des Holztisches. In diesem kahlen, von Neonröhren erleuchteten Raum, sollte also ihr Leben enden. Sie nahm sich vor, nicht zu betteln oder zu flehen und wenn sich ihr die Gelegenheit bot, so viele Schläge und Tritte auszuteilen, wie sie nur konnte. Sam sah kurz zu dem Fahrer, der nervös von einem Bein auf das andere trat. Der Mann vor dem Portrait rührte sich immer noch nicht. Das einzige Geräusch kam von der surrenden Neonröhre über Sams Kopf. Plötzlich durchschnitt eine tiefe volle Stimme die Stille. „Lasst uns allein.“ Der Fahrer reagierte sichtlich nervös. …

◄ zurück blättern Beurteilen Sie den Text bitte fair.
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
3313 Leser seit 1. Jan. 2025 für diesen Abschnitt
Noch kein Kommentar zu dieser Seite.
Sei der Erste!