… Nur die ausdruckslosen Glasaugen konnten den Betrachter nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Mädchen nicht mehr lebte. Fast ehrfürchtig ließ Sam einen Finger über die bronzefarbene Haut des Unterarms gleiten. Die Haut war kalt und unnatürlich glatt. Sam ging in die Knie und schlang ihre Arme um das Mädchen. Sie hob den Körper an. Das Mädchen war unerwartet schwer, schwerer als ein 6-jähriges Kind von seiner Größe und seinem Körperbau. Sams Gesicht berührte das glänzende Haar. Sie roch Haarspray. Wahrscheinlich hatte Summersby Glanzlack verwendet, um dem stumpfen, toten Haar mehr Natürlichkeit zu verleihen. Schlurfend trug Sam ihre Last in den Raum mit der Wanne. In der Mitte des Raumes warf sie den Körper zu Boden. Sie hörte das leise „Klong“ der Metallplatte. Ein Glasauge löste sich durch den Aufprall aus der Augenhöhle. Sam sah an den Rändern elfenbeinfarbene Knochen und eine feste, rosa Masse. Sie ertrug den Anblick nicht und wandte sich wieder in Richtung Vorhang, um den nächsten Körper zu holen. Vor dem Vorhang lag das abgesprungene Glasauge und schien Sam anklagend anzustarren. Sam kickte es schnell zur Seite und hastete in den Raum. Einen Körper nach dem anderen trug sie vor die Wanne und schichtete sie kreuz und quer davor auf. Siebzehn Körper lagen in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden. Jedes Mal bereitete es Sam körperliche Schmerzen, wenn sie die Überreste eines jeden Kindes auf den Boden warf. Schwer atmend hob Sam den Infusionsständer hoch. Sie schloss die Augen und drosch mit dem Ständer auf das Durcheinander von Armen, Beinen und Köpfen ein.
Sams Füße schienen den Rasen kaum zu berühren, als sie zum Portal des Hauses zurück rannte. Sie verlangsamte ihr Tempo kaum, als sich die Steine der Kiesauffahrt schmerzhaft in ihre nackten Fußsohlen bohrten. Stolpernd erreichte sie die glatte Oberfläche der Frontterrasse. Hastig drückte sie die Türklinke herunter und rutschte in die riesige Eingangshalle. Sie stürzte nach rechts in die Küche – keine Anita. Hinter ihr ertönte eine fröhliche Stimme. „Hierher, meine Liebe. In den Salon.“ Sam durchschritt langsam die Eingangshalle, und versuchte, ihren schnellen Atem unter Kontrolle zu bringen. Anita saß in einem wuchtigen Ledersessel. Vor ihr, auf dem dunklen Tisch aus Teakholz stand ein Sektkübel mit Flasche und zwei Gläser, in denen goldene Flüssigkeit perlte. Eine leuchtend rote Akte lag auf Anitas Schoß. Sam nahm auf der riesigen, cognacfarbenen Couch Platz. …

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