Vater verabschiedet sich eines Tages nach Bayern und erscheint nur am Wochenende. Ohne ihn sind wir vogelfrei. Jede tut das was ihr behagt und ein Diktat gibt es eigentlich nicht. Ich bemerke, dass auch Mutter die kleinen Freiheiten genießt. Oft lässt sie uns abends an den Wochenenden alleine zu Hause und tuckert mit ihrem Käfer in den Tennisclub. Sie ist fröhlich und gelöst, lacht viel. An sonnigen Nachmittagen liegen meine kleine Schwester, Mutter und ich im Schatten eines Nussbaumes im Garten. Wir hören Musik aus dem Radio im Wohnzimmer das wir extra laut stellen und ich löse meine ersten Kreuzworträtsel. Der Eismann kommt an warmen Tagen mit seinem Wagen, einem olivgrünen VW-Bus, in unsere Straße, bimmelt mit einer großen Schiffsglocke und Mutter gibt uns Geld für ein Eis.
Unser Garten ist sehr groß und Mutter pflegt ihn jetzt alleine. Ich habe das Rasenmähen übernommen. Das macht mir Spaß und es braucht einen Hauch von technischen Kenntnissen, denn der Motor, den man mit einem Seil, an dem kräftig gezogen werden muss in Schwung bringt, springt nie gleich beim ersten Ruck an. Ich ziehe manchmal fünfzig-, sechzig Mal (ich hab`s gezählt) bis der Motor anspringt. Auf Nachfragen von Nachbarn oder Freunden warte ich mit technischen Details auf, wie: verdreckte Zündkerzen, oder so. Das habe ich mal gehört und es klingt doch sehr erfahren, oder?
Das Haus erwarb mein Vater bald nach seinem Eintritt in die Firma aus dem firmeneigenen Immobilienbestand. Es hat im Erdgeschoss Bad, Küche, Wohn- und Esszimmer, im ersten Stock gibt es vier Schlafzimmer und ein Bad. Das Grundstück ist recht groß. Zu zwei Dritteln ist es Ziergarten und zu einem Drittel Nutzgarten mit Apfel- und Birnenbäumen, Pflaumen- und Pfirsichbaum, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Erdbeeren und etwas Gemüseanbau. Rundherum wohnen andere Firmenangehörige, aber mein Vater ist der Chef, das wissen alle. Wir wohnen dort seit ich zwei Jahre alt bin. Nur wir hatten in der Straße einen Telefonanschluss und ein Auto. Unsere Nachbarin war gleich nach unserem Einzug mit ihrem zweiten Kind schwanger und als die Wehen eines Nachts einsetzten ließ sie sich zusammen mit ihrem Mann von meinem Vater zur Entbindung ins Krankenhaus fahren. Vater ist medizinischen Notfällen gegenüber nicht sehr …
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