Ich denke oft an meine Oma die so früh starb weil ihr die Medizin noch nicht helfen konnte. Sie war Lehrerin, eine elegante Person, die gerne reiste. In den Sommerferien fuhr sie erst nach Italien, dann "zum Abkühlen" in die Schweiz und die letzten Ferientage besuchte sie uns. Ich erwartete sie jedes Mal sehnsüchtig denn ihr Gepäck war voller Überraschungen für mich und meine Schwester. Als ich vier Jahre alt war brachte sie mir eine Strickliesel und eine Häkelnadel mit. Sie zeigte mir Luftmaschen, eine, und noch eine, und ließ es mich ausprobieren. Bald hatte ich es raus und häkelte Luftmaschenschlangen. Wenn ich hundert Luftmaschen gehäkelt hatte schnitt ich den Faden ab und begann von vorne. Stutzig machte mich nur dass ich, obwohl ich mir sicher war immer genau bis hundert gezählt zu haben, unterschiedlich lange Schlangen vor mir liegen hatte.
Vertrackt war die Strickliesel. Als ich sie auspackte gefiel sie mir sofort. Auf einem weißen Stiel saß der rote Pilzkopf mit den Fliegenpilzpunkten. Aber leider machte sie mir keine große Freude. Der Faden, der über einen kleinen Drahthaken mit Hilfe einer Häkelnadel gestülpt werden sollte rutschte oft weg und die Wollschlange die aus dem Stiel herauskam bekam dadurch Löcher und war sehr unansehnlich. Außerdem wusste ich nicht was ich mit der fertigen Häkelei anfangen sollte. Da kamen mir meine Luftmaschen mehr entgegen, auch weil ich zählen konnte, eine meiner Leidenschaften.
Im fünften Sommer fiel mir auf, dass Oma furchtbar dicke Beine hatte. Über dem Schuh bildete sich ein dicker Wulst und sie war auch nicht mehr so heiter wie sonst. Die Eltern flüsterten miteinander, was sie sonst nicht taten, und erst als Oma wieder abgereist war sprachen sie offen über ihre geschwollenen Beine. Die Oma sei krank, hieß es, und bald darauf lag sie im Krankenhaus. Wir fuhren sie dort besuchen. Das war weit und wir schliefen in ihrer Wohnung. Es war später Herbst und die Wohnung trotz Ofenheizung sehr kalt. Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl.
Im Krankenhaus musste Vater der Oma die Beine ins Bett heben, so schwer und dick waren sie. Er sprach mit dem Arzt. Der schüttelte nur den Kopf und meinte man könne ihr nicht helfen, die Medizin wäre dazu noch nicht in der Lage. Im Auto auf dem Heimweg schimpfte Vater über …
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