Wir drei daheim mausern uns zu einem Team. Ich vor allem übernehme den Vorsitz. Wir besprechen die nächsten Schritte in unserer neuen Heimat und ich höre mir Mutters täglichen Frust an. Das geschieht von uns ganz unbemerkt. Der Wandel ist spürbar wenn Vater mal zu Hause ist. Zwischen uns beginnt ein verstohlener Machtkampf. Wenn Vater nach unseren Plänen für die anstehende Woche fragt so lasse ich mir kein "Nein" gefallen. Ich lehne mich auf, ich protestiere, ich will diskutieren, ich verweigere meine Zuneigung in Form eines Gute-Nacht-Kusses, der Vater plötzlich sehr wichtig ist, und so zieht bei uns der Streit ein. Vater versucht mit eiserner Gewalt die Oberhand zu behalten aber ich gebe nur wegen des Wochenendfriedens klein bei. Er weiß das, ich bin mir sicher. Aber bevor er darüber nachdenken kann sitzt er im nächsten Flieger auf dem Weg zu seinen Geschäftspartnern.
Am Tag unseres Umzugs begannen für die bayerischen Schüler die Sommerferien und so habe ich noch einmal sechs Wochen frei. Meine Schwester und ich langweilen uns schrecklich. Weil wir noch niemanden kennen vertreiben wir uns meist miteinander die Zeit, mit Bocksprüngen über die Gartenhecke und Fernsehen. Oben unter dem Dach steht unser Klavier. Fast täglich setze ich mich nun hin und übe stundenlang. Ich spiele alles was mir in die Finger kommt. Mein eigener Klavierunterricht liegt viele Jahre zurück aber ich bin erstaunlich fit. Was bisher nur ein netter Zeitvertreib war wird zur Passion, ja ich kann eigentlich gar nicht mehr mit dem Spiel aufhören. Bald kaufe ich mir neue Noten und zu Weihnachten wünsche ich mir die gesammelten Klaviersonaten von Beethoven als Noten und auf Schallplatte.
Eines Tages fährt Mutter mit uns zu unseren neuen Schulen. Meine Schwester hat`s nicht weit. Sie kann zu Fuß gehen. Meine Schule liegt in der Innenstadt. Ein alter Kasten der mich an meine ehemalige Schule erinnert. Die Direktorin begrüßt uns mit strengem Blick. Es sei eine Gnade als Auswärtige einfach so in diese Schule aufgenommen zu werden. Man achte schließlich auf Qualität und meine Zeugnisse seien ein Beweis dafür, dass an meiner Ernsthaftigkeit und an meinem Willen einen guten Schulabschluss zu machen Zweifel angebracht seien. Man beschäftige sich nicht gerne mit offensichtlichen Verlierern.
Mutter fährt mich unterTränen wieder nach Hause. Sie würde am liebsten Vater verlassen und mit uns Kindern zu ihren Eltern nach …
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