Ich weiß nicht, ob es richtig war, dass ich mich mit Künstlernamen vorgestellt habe aber ich denke, dass ich nicht zur Strafe im Keller eingesperrt werde oder ins Bett muss. Mama und Papa werden bestimmt stolz auf mich sein. Viel lieber würde ich Mami oder Papi sagen, aber das wollen meine Eltern nicht.
Eigentlich bin ich gerne im Keller eingesperrt. Irgendwann in dieser Woche werde ich bestimmt noch mal dazu verdonnert. Das geöffnete Glas Kirschen ist noch halb voll und irgendwie freue ich mich darauf, den Rest zu essen.
Im Keller finde ich es immer richtig gemütlich. Es stehen dort viele leckere Sachen und auch das alte Schaukelpferd. Schlimm ist immer nur der Moment, wenn der Schlüssel im Schloss quietscht und Mama das Licht anknipst und fragt, ob ich denn auch weiß, weshalb ich in den Keller musste. Meistens weiß ich es nicht und traue mich auch nicht zu fragen. Wie ich Mama kenne, würde sie mit Sicherheit alle verfügbaren Kochlöffel zur Betonung ihrer Worte auf dem Küchentisch zerdeppern, aber immer noch besser so, als auf mir. Deshalb halte ich lieber jedes Mal meinen Mund und nehme in Kauf, dass ich dann zur Strafe ins Bett geschickt werde.
Jeder Satz meines Gedichtes hat gesessen, und auch meine Körperhaltung und die Stellung meiner Beine fand ich perfekt. Von einem „Ho, ho, ho“ und lautem Gepolter wurden die letzten Worte meines Auftrittes übertönt. Mühsam konnte ich meine Tränen zurückhalten. Hätte der Weihnachtsmann nur noch wenige Sekunden gewartet, wären, wie bei einem großen Konzert, bestimmt alle aufgestanden und hätten so lange applaudiert, bis ich sie mit einem weiteren Gedicht belohnt hätte.
Ich bin überwältigt und stehe unbeholfen am Rand der Bühne. Der Weihnachtsmann kommt auf mich zu, und das erste Geschenk, bunt eingepackt, mit einer großen Schleife, überreicht er mir. Weil Geschenke meistens für mich enttäuschend sind, habe ich nicht den Mut, es gleich zu öffnen. Nie war es das Richtige und trotzdem musste ich mich immer freuen und zum Dank alle küssen. Mama hat meinen Bruder an der Hand und meine kleine Schwester auf dem Arm. Es passt ihr schon wieder nicht, dass ich als Erste mein Geschenk bekommen habe.
Mein Bruder bekommt …
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