Oma wohnt eine Etage tiefer, nie müssen wir klingeln. Wie in vielen alten Bürgerhäusern, hat auch ihre Haustür eine Klappe mit einem kleinen Fensterchen, die von innen zu öffnen ist, damit nicht jeder gleich in die Wohnung gelassen werden muss. Diese Klappe ist bei Oma niemals verschlossen, wir können einfach durchgreifen und die Tür von innen öffnen. Manchmal klappern wir auch mit dem Briefkastendeckel, um uns bemerkbar zu machen. Mama bekommt es nie mit, wenn wir nicht raus zum Spielen gehen sondern uns bei Oma einquartieren. Oma hat immer eine Gertrud und auch, wenn diese nicht da ist, hat Oma für uns Zeit, sie ist wirklich eine Seele.
Früh bin ich heute aufgewacht. Die Aufregung wegen meines Auftritts lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Mein neues Kleid, weinroter Samt mit einem weiß bestickten Kragen, hängt auf dem Bügel, die schwarzen Lackschuhe, noch ungetragen, stehen darunter.
Eifrig helfe ich, den Frühstücks-Mittagstisch vor der großen Eckbank zu decken. Zum Frühstück-Mittag dürfen wir alle im Schlafanzug kommen. Nur Papa hat heute schon seinen Sonntagsanzug an und beäugt missbilligend seine Brut, bevor er aus der Tür geht. Kaum, dass er weg ist, fängt Mama damit an, ihren Schopf auf blechartige Lockenwickler zu drehen, denn diesen Anblick will sie Papa ersparen. Danach kommen mein Bruder, meine kleine Schwester und ich an die Reihe oder besser gesagt, in die Wanne. Mama ist stolz, dass wir drei die saubersten im ganzen Viertel sind und badet uns immer zusammen. Ich muss immer auf die Seite mit dem Stöpsel und deshalb holt Mama mich auch immer zuerst wieder heraus. Mein Bruder und meine kleine Schwester dürfen dann noch weiter plantschen.
Papa kommt zurück und Mama und ich streiten über meine Frisur: „Bitte flechte …
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