Ich sehe Mama und Papa hinten rechts am Tisch sitzen. Der Onkel, der Mann von Tante Ilse, sitzt bei ihnen und trinkt fröhlich sein Bier, also denke ich mir, dass Tante Ilse auch nicht weit weg sein kann.
Bevor Fräulein Hermann noch einmal mit allen probt, muss ich schnell noch einmal zur Toilette. Durch den geöffneten Türspalt zur Küche kann ich den Weihnachtsmann sehen. Er sitzt am Tisch und trinkt Kakao. Dazu hat er seinen großen, weißen Bart abgenommen und auf den Tisch gelegt. Genau wie Oma, die kann abends auch ihren prächtigen, schwarzen Haarknoten abnehmen und auf die Konsole legen. Wenn ich groß bin, möchte ich das auch machen.
Fräulein Hermann treibt uns auf die Bühne. Alle haben sich positioniert und ich stehe in der ersten Reihe. Die Deckenbeleuchtung geht aus und die Kerzen am Weihnachtsbaum tauchen den großen Raum in ein schummriges Licht. Mit dem angestimmten Weihnachtslied verstummen die letzten Gespräche. Meine Stunde ist gekommen: „Ich bin Elsa“, hole ich tief Luft, „Elsa von Bösebohm, mein Vater ist Kartoffelhändler“. Aus der hinteren Tischreihe höre ich „Junge, Junge“. Es ist Papas Bass und ich fühle, dass Mama ihren spitzen Mund macht und später sicher wieder ein Donnerwetter folgen wird. Was soll's, später ist eben erst später.
Neulich hat mir jemand erzählt, dass alle großen Künstler im Alltag einen anderen Namen tragen als auf der Bühne und den Namen “von Bösebohm“ finde ich total gut. Wenn Papa jetzt auch noch Kartoffelhändler wäre, so wie der Vater von Sina, das würde ich schon toll finden. Aber na ja, Papa ist ja auch nicht so sympathisch wie Sinas Vater. Wenn Sinas Vater nicht gerade auf dem Markt Kartoffeln verkauft, trägt er elegante Anzüge mit Weste und eine goldene Taschenuhr an einer schweren Kette. Sinas Mutter …
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