… Sie waren sich nicht wirklich sympathisch. Sam vermutete, dass er nur aus einem einzigen Grund für sie tätig war. Nicht, weil Bens Überredungskünste so geschickt waren, nein, dem Herrn Bankier ging einfach um eine bessere Ausgangsposition, um die Entführung seiner Tochter aufzuklären. Sechs Monate nach der Entführung seiner Tochter hatte er Sam mit der Suche beauftragt. Danielle war einfach auf dem Weg zur Schule spurlos verschwunden. Der Bankier war kurz davor, wahnsinnig zu werden, als sein ganzer Einfluss und sein Vermögen ihm seine Tochter nicht zurückbrachte. Danielle war wie vom Erdboden verschluckt. Keine Spuren oder Beweise. Niemand hatte etwas gesehen. Die Schweizer Polizei fuhr die Ermittlungen nach sechs Monaten auf ein Minimum zurück. Die verzweifelten Eltern recherchierten im Internet und stießen durch Zufall auf Sams Homepage. Die professionell gestaltete Seite war ein kleines Dankeschön von Sams erstem Auftraggeber, dem Patenonkel der 12-jährigen Tamara. Sam hatte sich durch ihre diversen Aufträge nicht nur persönliche Genugtuung bei der Erfüllung ihres eigenen Schwurs verdient. Ihre Auftraggeber zahlten gut und aus diesem Kreis setzte sich mittlerweile ein kleines, aber gut funktionierendes Netzwerk aus Spezialisten zusammen. Darunter Rechtsanwälte, Ärzte, Bankiers und andere, hilfreiche Geister. Sam fuhr zitternd mit den Fingern über das Bild. Es handelte sich um eine Portraitaufnahme. Danielles Augen starrten angsterfüllt in die Kamera. Das Mädchen versuchte, ein Lächeln zu Stande zu bringen. Aber irgendwie brachte sie es nicht zum Halten, es schien ihr von den Lippen zu rutschen. Wieder spürte Sam heiße Wut in sich aufsteigen. Wahrscheinlich hatte Summersby Danielle gezwungen, ihr hübsches Gesicht fröhlich in die Kamera zu halten. Das Ergebnis war eine Maske des Schreckens. Zögernd blätterte sie die dicke Seite um. Das Seidenpapier raschelte leise. Weitere Fotos von Danielle. Ganzkörperaufnahmen, Danielle von vorne, von hinten und von der Seite. Auf der rechten Seite des Buches ein einzelnes Foto. Danielle mit geschlossenen Augen, auf dem metallenen Tisch mit der Rinne, auf dem Summersby auch Sam abgelichtet hatte. Sam konnte die aufkeimende Hoffnung kaum ertragen. Sollte Summersby harmloser sein, als sie dachte, als ihre Instinkte es ihr weismachten? Vielleicht schoss er ja nur mit einer harmlosen Kamera auf seine Opfer und hielt sie dann einfach gefangen, um sie immer wieder aufs Neue abzulichten. …

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